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Großvaters Villa so prächtig wie einst

Von Heidi Pohle 29.04.2007, 15:50

Halle/MZ. - Das Gebäude aus gelbem Backstein und mit Turm zieht die Blicke auf sich, sieht so prächtig aus wie einst, als in der Villa noch die Fabrikanten-Familie Rabe wohnte und gleich nebenan eine Baumwollspinnerei betrieb.

Heutzutage kaum vorstellbar - eine Fabrik, die sich direkt am Rive-Ufer bis zur Giebichensteinbrücke erstreckte? Interessantes aus der Familiengeschichte kann Almuth Knoop erzählen. Sie ist die Enkelin von Paul Rabe, dem die Spinnerei in zweiter Generation gehörte. Die 76-Jährige kam nach der Wende mit ihrem Mann Günther in ihre Heimat zurück. "Mein Großvater musste die 1861 gegründete Fabrik 1917 schließen, weil es durch den Ersten Weltkrieg am Rohstoff Baumwolle mangelte", erzählt sie. In guten Zeiten arbeiteten 500 Leute dort. Die Stadt drängte aus planerischen Gründen in den 20er Jahren darauf, die leer stehenden Gebäude abzureißen. Da hatte ihr Großvater, dem noch eine Spinnerei in Löbau / Sachsen gehörte, schon das Rittergut in Brachstedt (Saalkreis) erworben und bewirtschaftete es mit seinem Sohn Günther, Almuth Knoops Vater.

Daran kann sie sich noch gut erinnern, wuchs sie doch auf dem Lande, nicht in der Villa am Rive-Ufer auf. "In Brachstedt hatten wir Kühe, Schweine, Schafe und Geflügel, betrieben auch Ackerbau", erzählt sie. Rund 500 Hektar umfasste das Gut, bis zu 60 Landarbeiter standen in Lohn und Brot bei Rabes. Es sei eine glückliche Kindheit gewesen, die sie und ihre drei Geschwister dort verbrachten.

Um so schmerzlicher sei die von örtlichen Kommunisten durchgeführte Enteignung gewesen. "Mein Vater war kein Nazi, nicht in der Partei, nicht mal im Krieg", so Almuth Knoop. Trotzdem wollten ihn die Russen verhaften. Da blieb nichts anderes als die Flucht im Oktober 1945, die in Schöppenstedt bei Braunschweig endete.

Nun lebt sie mit ihrem Mann schon seit rund zwölf Jahren wieder im Saalkreis, allerdings nicht in Brachstedt, sondern auf dem ehemaligen Rittergut im benachbarten Dammendorf. Das gehörte einst ihrem Onkel Gustav Humbert und war noch in relativ gutem Zustand. Zu DDR-Zeiten wurden in dem volkseigenes Gut Rinder gezüchtet.Einen Stall bauten sie sich zur Wohnung aus. In Brachstedt sei der frühere Besitz zu sehr verwahrlost gewesen, als dass man ihn hätte wieder aufbauen können. "Außerdem hängen viele Erinnerungen daran. Dort zu leben, würde mir zu weh tun", sagt Almuth Knoop, die in Brachstedt eine Freundin wiederfand. Ihr Vater starb 1964, ihre Mutter erlebte die Wende und erfuhr noch von den Rückkehr-Plänen, ohne selbst noch mal auf dem einstigen Besitz gewesen zu sein.

Motor der Rückkehr war Günther Knoop. Der heute 80-Jährige war damals gerade Rentner geworden. Er verhandelte zwei Jahre mit der Treuhand, ehe er rund 530 Hektar pachten und einen Stall als Wohnung ausbauen konnte. "Wir haben im Taunus unser Haus aufgegeben und einen neuen Anfang gewagt", sagt Knoop, der in Niedersachsen Landwirt war, ehe er in die Industrie ging.

In Dammendorf bewirtschaftet er nun mit einem Verwalter und Arbeitern das Gut, baut Getreide, Raps sowie Zuckerrüben an und hat begonnen, Damwild zu züchten. "Mein Tag ist mehr als ausgefüllt", sagt er. Derweil sich seine Frau um den großen Garten kümmert. Die drei Kinder der Knoops haben keine Ambitionen, aufs Land zu ziehen, vielleicht übernimmt das Gut mal einer der sieben Enkel.

Dass die Villa am Rive-Ufer so schön wieder hergerichtet wurde, freut das Ehepaar sehr. Paul Rabe hat bis zu seinem Tod im Jahr 1946 dort gewohnt, besuchte sein Gut einmal wöchentlich. Seine Frau Melanie starb 1949. Danach wurde die Villa als Krankenhaus genutzt. Auch das villenartige Haus nebenan, in dem zu DDR-Zeiten unter anderem der frühere SED-Bezirkschef Sindermann wohnte, gehört jetzt zur Akademie. Einst hatte es Paul Rabe für seine jüngste Tochter Sigrid bauen lassen, die dort mit ihrer Familie bis 1945 lebte.