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Graf starb bei Schönheits-OP

Von WENDELIN SANDKÜHLER 06.04.2010, 17:32

LANDSBERG/MZ. - Was tun bei Zahnschmerzen? Diese Frage wurde im Mittelalter noch ganz anders beantwortet als heute. Die Kräuterfrau Dolores Hartmann kennt viele der alten Antworten - die heutzutage durchweg seltsam anmuten. In Vorträgen macht sie ihr historisches Wissen publik - das Interesse daran ist groß. Allein ins Landsberger Museum kamen jetzt 40 Zuhörer, um sich kuriose Behandlungsmethoden aus dem Mittelalter nahe bringen zu lassen.

Dem Zahnwurm auf der Spur

Der Spruch "Zahnschmerz bleib aus, ich bin nicht zu Haus" sei ebenso verbreitet gewesen, wie die Behandlung mit einem rostigen Nagel, erklärt ihnen Hartmann. Oder wie wäre es mit einer Mixtur aus Waldkürbis, Fenchelwurzel und Pferdemilch? Die Krankheitsursache hätten die Menschen meist in einem "Zahnwurm" gesehen, so Hartmann, deren Fachgebiet die mittelalterliche Medizin ist. Tiere und böse Geister seien generell häufig für Beschwerden verantwortlich gemacht worden.

So abenteuerlich wie die Krankheitsbilder seien im Mittelalter auch die Gegenmaßnahmen gewesen. Dies schilderte Hartmann eindrücklich im Museum "Bernhard Brühl". Der Aderlass beispielsweise sei "ein beliebtes Mittel gegen die Fress- und Sauflust dieser Tage" gewesen, erzählt die 50-Jährige aus Reinsdorf. Noch unangenehmer müssen Operationen gewesen sein; die Patienten seien meist erst durch Ohnmacht von den Schmerzen erlöst worden.

"Angewandt wurden die Therapien meist von Quacksalbern, die sich unter dem fahrenden Volk aufhielten, falls der Boden zu heiß wurde", so die Kräuterfrau. Und für diejenigen, die sich wirklich mit Heilwirkungen auskannten, gelte leider: "Zahlreiches Wissen fand sein Ende auf dem Scheiterhaufen." Vorreiter der mittelalterlichen Medizin sei die Kirche gewesen, besonders Benedikt von Nursia, der vor 1 500 Jahren umfangreiche Ordensregeln aufstellte. Glaube und Aberglaube prägten die Medizin noch lange Zeit. Manch Mittelalterliches hat sich bis heute gehalten - beispielsweise die Rede vom Hexenschuss.

Museumsleiterin Inge Fricke gab Anekdoten zur mittelalterlichen Medizin in Landsberg zum Besten. Tragisch dürfte es 1190 zugegangen sein, als der Markgraf Dedo eine Operation nicht überlebte. Vermutlich hatte er den Beinamen "der Feiste" satt; überliefert ist auf jeden Fall, dass bei dem Eingriff überflüssiges Bauchfett entfernt werden sollte. Die erste Hinweis auf eine Apotheke in Landsberg stammt laut Fricke von 1665. Die lokalen Apotheker hätten schon bald auch den Alkoholverkauf als Einnahmequelle entdeckt. Bier gab es auch in der Landsberger Doppelkapelle, sagt Fricke - bis dem Pfarrer der Bierausschank untersagt worden sei.

Projektwoche geplant

Mit der Besichtigung der alten Landapotheke aus dem 19. Jahrhundert geht ein kurzweiliger Abend zu Ende. Einige Besucher sind aber nicht nur des Vergnügens wegen gekommen. Die 23-jährige Landsbergerin Christine Gumpel studiert Integrative Gesundheitsförderung in Coburg: "Viele altbekannte Kräuter kann man heute noch hervorragend verwenden", sagt sie. Auch Julien Opitz und Anton Sparfeld haben sich Notizen gemacht. Die 16-Jährigen vom Cantor-Gymnasium in Halle planen eine mittelalterliche Projektwoche mit kulinarischem und medizinischem Teil. Er werde sich zum Beispiel als Pestarzt verkleiden, sagt Anton. Und Julien Opitz will sich bei Dolores Hartmann noch ausführlicher informieren.