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Gedenkstätte Roter Ochse Gedenkstätte Roter Ochse: Schuften für Ikea und Adidas

Von Silvia Zöller 13.04.2016, 11:05
Der gebürtige Hallenser Christian Sachse ist Autor der Ausstellung zur Zwangsarbeit politischer Häftlinge in der DDR, die derzeit in der Gedenkstätte Roter Ochse zu sehen ist.
Der gebürtige Hallenser Christian Sachse ist Autor der Ausstellung zur Zwangsarbeit politischer Häftlinge in der DDR, die derzeit in der Gedenkstätte Roter Ochse zu sehen ist. Silvio Kison

Halle (Saale) - Es waren menschenunwürdige Zustände, unter denen Männer und Frauen in Gefängnissen Sachsen-Anhalts Zwangsarbeit leisten mussten. Wie menschenunwürdig, das schildert die heute 57-jährige Marion S.: „1979 versuchte ich, aus der DDR zu fliehen. Ich wurde verurteilt und kam in den Roten Ochsen. Dort fertigten wir in Zellenarbeit Mokassins für den Westen. Andere arbeiteten für Adidas und Elmo. Als ich eine Sonderschicht verweigerte, wurde ich verprügelt und in Handschellen in der Arrestzelle aufgehängt.“

Nachzulesen sind diese und weitere Berichte von Opfern der politischen Justiz der DDR in einer Sonderausstellung in der Gedenkstätte Roter Ochse, die noch bis zum 24. Mai zu sehen ist (siehe Infokasten „Eintritt ist frei“). Die Ausstellung, die der gebürtige Hallenser Christian Sachse für die Stasi-Unterlagenbeauftragte und die Landeszentrale für politische Bildung erarbeitet hat, zeigt erstmals die Dimension der Zwangsarbeit politischer Häftlinge in der DDR auf.

Skandal um Ikea

Was vor wenigen Jahren als Skandal rund um den schwedischen Möbelkonzern Ikea hochkochte, für den Naumburger Häftlinge produzieren mussten, zeigt sich in der Ausstellung als gängige Maßregelung und Ausnutzung der Gefangenen. Gezielt wurden „Politische“ da eingesetzt, wo andere Arbeiter sich weigerten, zum Beispiel in den Chlorfabriken in Bitterfeld. Oder aber sie wurden durch viel zu hohe Produktionsanforderungen unter Druck gesetzt und anschließend bestraft, wenn die Normen nicht erfüllt wurden. So berichtet ein Häftling aus dem Jugendhaus Halle, wo 14- bis 18-jährige Häftlinge zur Zwangsarbeit herangezogen wurden: „Strafen bei Nichterfüllen von 120 Prozent der Norm: Schichtarbeit bei schlechter Ernährung, Kohlsuppen, Mehlsuppen, kein Obst und Vitamine. Zwischen den Schichten stundenlanges Exerzieren. Keine medizinische Versorgung.“

Noch bis zum 24. Mai ist die Sonderausstellung „Hammer.Zirkel.Stacheldraht. Zwangsarbeit politischer Häftlinge in der DDR“ in der Gedenkstätte Roter Ochse zu sehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr sowie an jedem ersten Wochenende im Monat von 10 bis 17 Uhr. Montags ist die Gedenkstätte geschlossen. In der Dauerausstellung wird an die Opfer erinnert, die während der nationalsozialistischen Diktatur in den Jahren 1933 bis 1945 inhaftiert und hingerichtet wurden. Sie erinnert ebenfalls an die während der kommunistischen Diktatur in den Jahren 1945 bis 1952 von sowjetischen Geheimdiensten und Militärtribunalen willkürlich Internierten und Verurteilten sowie den 1950 bis 1989 vom Ministerium für Staatssicherheit und von Strafvollzugsorganen der DDR inhaftierten Opfer politischer Verfolgung. (szö)

Die Ausstellung ordnet das System der Zwangsarbeit in der DDR aber auch in internationale Dimensionen ein. So werden hier auch Vergleiche zu anderen Staaten gezogen - etwas zu Frankreich, wo Zwangsarbeit erst Anfang der 50er Jahre abgeschafft wurde. „Trotz internationaler Ächtung wurde Zwangsarbeit seit den 70er Jahren in die Planwirtschaft der DDR eingefügt“, so Autor Christian Sachse. Der heute in Berlin lebende Politikwissenschaftler und Theologe hatte sich unter anderem auch einen Namen mit seiner Studie zur Heimerziehung in der DDR gemacht. (mz)