Gastronomie in Gefahr Gastronomie in Gefahr: Niemand will mehr kellnern

Halle (Saale) - Halles Gastronomen gehen die Kellner aus. Hiesige Wirte haben immer größere Probleme, Fachkräfte, Auszubildende oder Aushilfen zu finden. Die Folgen: Betreiber verkürzen ihre Öffnungszeiten oder legen Ruhetage ein. So wie etwa im Gasthaus „Zum Schad“. In dem Traditionshaus in der Kleinen Klausstraße ist montags geschlossen und seit kurzem am Sonntagnachmittag der Laden zu. Wirt Hauke Schad erklärte den Gästen diese Neuerung auf einem Zettel an der Eingangstür. Grund sei das Fehlen von Mitarbeitern.
„Vor zehn Jahren waren Ruhetage eine echte Seltenheit, aber heute kommen sie aus der Not heraus so langsam wieder“, sagt Michael Schmidt, Wirt in der Goldenen Henne in Naumburg und Dehoga-Präsident Sachsen-Anhalts. Das größte Dilemma der Branche sei die schrumpfende Zahl von Schülern, die überhaupt für den Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen. Diese Situation verschärft sich seit etwa fünf Jahren.
Heutzutage müssen sich Unternehmen nach Schülern strecken
Heutzutage müssen sich Unternehmen nach Schülern strecken und nicht umgekehrt. „Bei den Köchen geht es, vielleicht dank der vielen TV-Shows zum Beruf, aber bei Restaurantfachkräften ist es schwierig“, so Schmidt.
„Zudem hat in der Branche erst spät ein Umdenken eingesetzt, viel zu lange wurden Mitarbeiter und Azubis nicht immer so behandelt, wie es hätte sein sollen“, sagt der Dehoga-Präsident. Nimmt man jetzt noch die unattraktiven Arbeitszeiten abends und am Wochenende sowie ein paar schroffe Gästekommentare und fehlende Wertschätzung hinzu, dann ist die Misere perfekt.
Aktuell sind 45 Gastronomiestellen ausgeschrieben
Laut Thomas Hicksch, Sprecher der Arbeitsagentur Halle, sind aktuell 45 Gastronomiestellen ausgeschrieben. Dass gerade junge Leute keine Lust mehr haben, am Wochenende zu kellnern statt zu feiern, merke die Arbeitsagentur deutlich in der Berufsberatung. Unter den zehn beliebtesten Ausbildungen in Halle taucht Gastronomie nicht einmal auf.
Retten könne sich, wer einen guten Ruf genießt. Große etablierte Häuser bekommen laut Sprecher noch eher einen Lehrling, als kleine Gaststätten. Mit Einführung des Mindestlohns, so Hicksch, seien zudem etliche Restaurantfachkräfte in andere Berufszweige abgewandert, um zu attraktiveren Arbeitszeiten ihr Geld zu verdienen.
2017 sind noch 807 aktive Gastronomiebetriebe in Halle eingetragen
In diesem Jahr sind laut Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau noch 807 aktive Gastronomiebetriebe in Halle eingetragen. Vor zehn Jahren waren es laut Stadt noch 915.
„Früher war die Gastronomie der Plan B für junge Leute“, erklärt sich Wirt Jens Liebezeit vom „Mönchshof“ das Fachkräfteproblem. Wer seinen Traumberuf nicht bekommen hat, der ging eben in die Gastronomie. Heute allerdings, wo viele Unternehmen Schüler regelrecht umwerben und viele ihre Traumstelle bekommen, brauche niemand mehr einen Plan B. Mittlerweile ist in etlichen Betrieben die Personaldecke pergamentpapierdünn. Zumindest am Geld könne es kaum liegen.
Azubi-Vergütungen im ersten Jahr bei 600 bis 800 Euro
„Da müssen wir uns nicht mehr verstecken, Wir sind teilweise bei Azubi-Vergütungen im ersten Jahr bei 600 bis 800 Euro“, sagt Schmidt. Er stellt demnächst zwei Azubis aus Thailand ein und fordert ein Einwanderungsgesetz, dass es Migranten erleichtert, ohne große Bürokratiehürden hier zu arbeiten.
Wer meint, in einer Studentenstadt wie Halle müssten sich doch genug helfende Hände finden lassen, der irrt. „Da kommt so gut wie gar nichts mehr“, sagt Martin Jung, Küchenleiter im „Wenzel Prager Bierstuben“. Selbst Arbeitslose, die ihm auf Drängen des Amtes eine Bewerbung schreiben müssen, melden sich nicht. „Wir bilden nicht aus, aber wir inserieren seit Jahren auf der Jobbörse“, so Jung. Nicht einer sei gekommen.„Ich denke, es liegt nicht am Geld, wir sind bei knapp zehn Euro, das kriegen hier auch Studenten“, sagt er. Es seien wohl eher der Ruf und die Arbeitszeiten. „Ich schätze, viele denken, sie verdienen anderswo mehr, für leichte Arbeiten.“ (mz)