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Forstarbeiten in Halle Forstarbeiten in Halle: Der Allrad-Holzmichel im Stadtwald

Von Detlef Färber 19.02.2017, 08:38
Sekunden nach der Baumfällung kommt die Baumschälung mit Schwenkbewegung: Das alles ist großes Kino.
Sekunden nach der Baumfällung kommt die Baumschälung mit Schwenkbewegung: Das alles ist großes Kino. Günter Bauer

Halle (Saale) - Es knackt und brummt im Unterholz, ganz fern und leise zunächst. Was war das? Blicke in alle Richtungen, während das Knacken und Brummen langsam lauter wird. Plötzlich, schau da: Eine Art Kugel, gelb wie die Post, schwingt zwischen den Bäumen hin und her. Oder ist es sogar ein Kopf - ein Kopf mit einem Riesenmaul und großen Zähnen. Jedenfalls muss das gelbe Ding schon was im Maul haben, während es näher kommt. Ja, hat es - etwas, das zunächst wie eine große Zigarre aussieht. Oder sollte das ein ganzer Baum sein, den dieses Ding da gerade in sich hinein frisst. Demnach müsste es ja eine Art Ungeheuer sein, das hier durch die Dölauer Heide streift.

Zumindest ungeheuer eindrucksvoll ist, was mancher Spaziergänger oder Jogger, wenn er Glück hat, dieser Tage im halleschen Stadtforst zu sehen bekommt. Oder auch die „Waldmäuse“ des Naturkindergartens, der hier jede Menge Zeit verbringt. Harvester heißt die Holzvollerntemaschine, die gerade im Einsatz ist und die schweren Arbeiten der „Beförsterung“ übernimmt.

3.000 Festmeter Holz werden pro Jahr gefällt

Und weil das holzfressende Ungetüm so grün ist wie ein richtiger Drache, sich langsam und kriechend fortbewegt und einen langen Greifarm hat, kommen einem wie von selber märchenhafte Assoziationen, die zwischen Gnom, Riese und einem einarmigem Banditen liegen. Grund genug, sich das Ding mal näher anzuschauen, das dort Bäume aus dem Wald holt, wo Heide-Förster Torsten Nieth die Strecke zuvor mit Markierungen freigegeben hat.

3.000 Festmeter gelte es im Schnitt pro Jahr zu fällen, sagt er. Ganz schön viel Holz - und schwerste Arbeit, die einst über Jahrhunderte von den so genannten Holzknechten verrichtet werden musste. Der letzte dieser Zunft, ein gewisser Holzmichel, hat, längst schon im höheren Alter, vor Jahren sogar den exzessive Genuss sächsischer Volksmusik überlebt: Ein Zeichen von Härte!

High-Tech-Traktor hat mehr als eine halbe Million Euro gekostet

Doch abgesehen von ihm ist es offenbar kaum noch möglich, Leute für die schwere Waldarbeit mit Kettensägen zu finden, sagt Wolfgang Günther, Einsatzleiter der Arnstädter Holz- und Forstfirma Hartung, die im Auftrag der Stadt die Beförsterungsarbeiten übernimmt. Und die gemäß des Vertrags und der Ausschreibung das geschnittene Holz dann auch vermarkten darf. Im Mittelpunkt dieser schweren Arbeit steht also statt des alten Holzmichels hier eine Art Allrad-Holzmichel des Landmaschinen-Herstellers John Deere.

Diese Art High-Tech-Traktor, die mehr als eine halbe Million Euro gekostet hat, macht laut Einsatzleiter Günther die Arbeit von zehn Waldarbeitern. Was freilich nicht heiße, dass das herkömmliche Verfahren gar nicht mehr angewendet wird. Je nach Gelände oder Hanglage greife man auch derzeit mal auf Handarbeit mit Kettensäger oder - wie zuletzt in Oberwiesenthal sogar auf die Hilfe von Pferden zurück, für den Transport der Baumstämme.

Ein Arm, der auf neun Meter ausfährt, und eine 20-Tonnen-Kraft entfaltet

Doch normalerweise macht einer die Sache ganz allein: Hier ist es der Bayer Karl-Heinz Spieth, Harvester-Fahrer im Dienste der Thüringer Firma: Mit seinen Hebeln und Knöpfen im engen Fahrerhaus bewegt er enorme Kräfte: Einen Arm, der auf neun Meter ausfährt, und eine 20-Tonnen-Kraft entfaltet, der auf sechs fast mannshohen, 70 Zentimeter breiten Reifen durch den Wald rollt, die zur Fällung vorgesehen Bäume erst absägt und dann in eindrucksvoller Prozedur und atemberaubendem Tempo die Äste und Teile der Rinde entfernt und sie auf Standardmaße - meist fünf Meter plus zehn Zentimeter Toleranz - zusägt. Und dann weiter rollt, als wäre nichts gewesen.

Wie nichts gewesen - damit wäre wohl auch die Waldpflegestrategie der Stadt und des Landes in etwa beschrieben - denn es geht um einen schonenden Umgang mit dem Forst. Deshalb wird der Weg für den Harvester mit Geäst ausgelegt, um die Boden-Verdichtung so gering wie möglich zu halten.

Die Dölauer Heide ist übrigens ein zertifizierter Ökowald - ein Mischwald also - auch, weil der sich als besonders resistent etwa in Sachen Schädlingsbefall erweise, sagt Jürgen Hartung vom Landeszentrum Wald: Auch hier gelte „Schutz der Minderheiten“, und im Zweifelsfall bleibe beim ja immer notwendigen Auslichten die Eiche stehen: Den viel besungenen alten Holzmichel dürfte es freuen. (mz)

Karl-Heinz Spieth lässt die Tonnen und die Baumstämme tanzen.
Karl-Heinz Spieth lässt die Tonnen und die Baumstämme tanzen.
Günter Bauer
Sauber gestapeltes Waldholz nun in einheitlicher Länge von fünf Metern.
Sauber gestapeltes Waldholz nun in einheitlicher Länge von fünf Metern.
Günter Bauer