Flott unterwegs wie Al Capone
Sennewitz/Oppin/MZ. - Wenn die gute Laune schwinden will, kramt Bernd Godziszewski einige Tüten mit Fotos hervor. Dann nimmt sich der Unternehmer die Zeit, die er eigentlich nicht hat, und schaut Oldtimer an. Fahrzeugen von anno dunnemals ziehen den Mann, der für die Abfallentsorgung im Saalkreis verantwortlich ist, seit Jahrzehnten in den Bann.
Fotos sind natürlich nicht die einzigen Zeugnisse seiner Leidenschaft. Die Ergebnisse stehen in dieser Jahreszeit in einer Halle. "Im Winter stehen meine Autos in Planen gepackt und werden rund um die Uhr belüftet." Acht Pkw - vom antiquierten Chevrolet bis zum Wartburg-Cabriolet - gehören zur Oldtimer-Flotte des gelernten Kraftfahrzeugschlossers. Es sind Schätze nicht nur in materieller Hinsicht. Darin stecken unzählige Stunden an Werkstattarbeit, oft bis nach Mitternacht. "Mich fasziniert die Technik, aber auch die individuelle Lebensgeschichte des Fahrzeugs", versucht Godziszewski eine Erklärung für seine ungewöhnliche Begeisterungsfähigkeit.
Schon im Alter von zwölf Jahren, erinnert sich der gestandene Familienvater, sei er mit einem Vorkriegs-Opel über Feldwege im Saalkreis gerumpelt. "Eigentlich war es nur ein Schrotthaufen auf Rädern, aber mit meinem Vater haben wir das Auto wieder in Gang gesetzt - eine Drei-Liter-Maschine." Die Erinnerung an das Gefühl, dereinst zehn Schulfreunde chauffieren zu dürfen, erheitert den ansonsten kühlen Rechner noch heute. Selbst der Dorfpolizist, glaubt Godziszewski, drückte damals wohl beide Augen zu. Die Frage, wie lange er den Führerschein schon hat, erübrigt sich fast. "Ich brauchte nur die Mindestzahl an Ausbildungsstunden, die Lkw-Papiere holte ich mir an meinem 18. Geburtstag ab."
Geht nicht, gibt's nicht - das ist Godziszewskis Motto, mit dem er bisher immer gut gefahren ist. Beispielsweise 1988, als er - damals ein mutiger Schritt - einen beruflichen Neuanfang wagt. Seither verdient der bodenständige Mann seine Brötchen nicht mehr als angestellter Werkstattleiter. Locker sagt er: "Ich bin Müllkutscher."
Wer ihn und die Branche etwas kennt, ahnt die Untertreibung. Sein Unternehmen, bescheinigt ihm auch die Konkurrenz, ist auf dem neuesten Stand. Freilich nicht zum Nulltarif. "Das Hobby bleibt leider immer nur Hobby." Er habe kaum Zeit, seine herrlichen Automobile zu fahren. Sogar ein superschneller Sechs-Zylinder-Buick von 1928, wie ihn einst die amerikanische Gangsterlegende Al Capone bevorzugte, gehört ihm. Manchen Sommer reicht es nur für zwei, drei Ausflugsfahrten ins Saaletal oder die Teilnahme an der Petersberg-Rundfahrt. Einladungen bekommt Godziszewski in Hülle und Fülle, sogar für die 2 000 Kilometer lange Deutschland-Tour.
Zwischen Weihnachten und Neujahr zieht sich Godziszewski in seine Werkstatt zurück. Ein Chevrolet, Baujahr 1930, ist in Arbeit. "So einen hat früher mal mein Vater gefahren", sagt er und zeigt ein historisches Foto, das den Vater mit diesem Wagen in Wettin zeigt. Um das Auto zu retten, muss es völlig auseinander genommen werden. Der Neuaufbau nimmt schätzungsweise zwischen 1 500 und 2 000 Stunden in Anspruch. Jetzt sind Holzarbeiten dran. Brüchige Buche soll gegen beständige Esche ausgetauscht werden. "Das ist Millimeterarbeit", kommentiert der Hobby-Restaurator trocken. Manchmal braucht es ein ganzes Wochenende, bevor ein Holm passt oder die Autotür sanft im Schloss einrastet.