Festival "Industriegebietskinder" am Gasometer Halle Festival "Industriegebietskinder" am Gasometer Halle: Was beschäftigt Jugendliche aus Halle-Neustadt?

Halle (Saale) - Schnickschnack wie Videoeinspielungen oder andere technische Extras sind nicht das Ding von Katharina Brankatschk. Zumindest nicht bei ihrer aktuellen Inszenierung für das Festival „Industriegebietskinder“, aus der am Samstag erste Ausschnitte gezeigt werden. Die Regisseurin des Thalia-Theaters hat nur eines vor: „Ausschließlich mit Stimmen, den Menschen auf der Bühne und mit dem Raum Bilder in das Gasometer werfen.“ Schließlich ist schon das Gasometer als Veranstaltungsort imposant und beeindruckend genug. Vom 29. Mai bis zum 7. Juni wird das leerstehende Denkmal am Holzplatz Spielort für ein Festival sein, das nicht nur einfach ein Theater-Event ist: Es ist ein Sprachrohr für Jugendliche aus den Regionen Halle, Dortmund und Berlin, die durch Arbeitslosigkeit und geschlossene Industriestandorte geprägt sind. Und damit verbunden in vielen Fällen auch durch geringe Bildungschancen. Was beschäftigt diese Jugendliche? Wo kommen sie her? Was soll aus ihnen und ihren Städten werden?
Persönlichkeiten der Jugendlichen stärken
Mit Bundesmitteln aus dem Programm „Kultur macht stark“ hat Katharina Brankatschk zusammen mit Theaterkollegen aus Berlin und Dortmund das Projekt gestemmt. Jugendliche aus diesen Orten haben nicht nur ihren Platz in den jeweiligen Inszenierungen. Vielmehr war für sie selbst auch Kultur Programm in den letzten Monaten: Sie haben gemeinsam mit Theaterpädagogen Theater und Museen auch in anderen Städten besucht, es gab Workshops. „Wir haben die Persönlichkeiten dieser Jugendlichen so nachhaltig gestärkt“, ist sich die Thalia-Regisseurin sicher.
Zeitreise durch Neustadt
Vor zwei Jahren ist die Idee dazu entstanden. Für Katharina Brankatschk , die aus Bautzen stammt und seit 2013 Spielleiterin am Thalia Theater ist, stand das Thema ihrer Produktion sofort fest: Neustadt. Über eineinhalb Jahre führte sie Interviews mit Rentnern, Arbeitern des ehemaligen Plattenwerks und des früheren Baukombinats, mit Sozialarbeitern, Skatern, und vielen anderen. Aus diesen Interviews ist das Stück „Neu statt sterben“ entstanden: „Kein Sozialdrama!“, sagt die 33-Jährige. Vielmehr eine Zeitreise mit Witz durch das Neustadt der Gründungszeit bis heute. Jungpioniere kommen darin ebenso vor wie ein sprechender Plattenbau oder eben auch die Tafel der DDR-Schokolade „Schlagersüß“.
"Ein unglaublich aufregendes Experiment"
Aus den 17 Jugendlichen, die per Aushang in den Jugendklubs von Neustadt, über die Bürgerstiftung sowie den Jugendklub der Bühnen Halle für das Projekt gewonnen werden konnten, sind am Ende sogar noch mehr geworden. „Auch Mitglieder des Jugend-Opernchores unterstützen die Aufführung“, berichtet die Regisseurin. Die jungen Hallenser, die zum größten Teil noch keine Theatererfahrung hatten, werden auf der Bühnen von neun Theaterprofis aus dem Thalia, dem NT und den Studenten des Studio-Klubs unterstützt. „Die Schauspieler übernehmen die Hauptrollen“, so Brankatschk. Das gut eineinhalbstündige Stück ist auch für die erfahrene Regisseurin, die zuletzt „Krabat“ inszenierte, ein Experiment: „Ein unglaublich aufregendes.“ (mz)
Das gesamte Programm finden Sie hier.