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„Schönheitskorrektur für Zahlen“ Fahrrad-Demo in Halle gegen Noten-Pläne von Minister Tullner

Die „Initiative Bildungsperspektive“ hat eine Fahrrad-Demo in Halle gegen die vom Bildungsminister geplante Schulreform organisiert. Worum es den Aktivisten geht.

Von Franz Ruch 27.05.2021, 08:15
Die Teilnehmer der Fahrrad-Demo haben sich zur Abschlusskundgebung am Rosa-Luxemburg-Platz vor dem Landesmuseum versammelt.
Die Teilnehmer der Fahrrad-Demo haben sich zur Abschlusskundgebung am Rosa-Luxemburg-Platz vor dem Landesmuseum versammelt. (Foto: Franz Ruch)

Halle (Saale) - Der Bildungsminister von Sachsen-Anhalt, Marco Tullner (CDU), hatte seinen Standpunkt Ende April noch einmal bekräftigt: Er möchte an dem Plan festhalten und den Zugang zum Realschulabschluss erschweren. Demnach sollen Schülerinnen und Schüler, die am Ende der sechsten Klasse der Sekundarstufe zwei Vieren auf dem Zeugnis haben, nicht mehr die Realschule besuchen dürfen. Bisher reicht dafür ein Gesamtnotendurchschnitt von vier. In Folge würden deutlich mehr Zwölfjährige eine Schullaufbahn mit Hauptschulabschluss einschlagen.

Die Entscheidung über die mögliche Verschärfung der Versetzungsordnung wurde zwar auf das kommende Jahr vertagt, dennoch hat sich jetzt in Halle ein Bündnis aus Lehrkräften, Gewerkschaften und Eltern gebildet, um gegen Tullners Pläne mobil zu machen. Dafür organisierte die „Initiative Bildungsperspektive“ am Mittwoch eine Fahrrad-Demo durch Halle mit abschließender Kundgebung vor dem Landesmuseum. Es nahmen zeitweise mehrere Hundert Menschen teil.

„Der Hauptschulabschluss ist ein Stigma“

„Der Hauptschulabschluss ist ein Stigma“, sagt Katharina Kraus. Die 38-Jährige ist Lehrerin an der integrierten Gesamtschule in Halle und hat Ende April zusammen mit drei weiteren Lehrkräften die Petition gegen Tullners geplante Reform gestartet. Katharina Kraus hält bereits die aktuelle Versetzungsregelung der Sekundarschule, bei der Schulkinder höchstens eine Fünf ausgleichen dürfen, um den Realschulabschluss weiter anstreben zu können, für problematisch. „Das separiert die Kinder viel zu früh und nimmt keine Rücksicht auf individuelle Stärken“, sagt sie. Dass Bildungsminister Tullner jetzt aber plant, die Versetzung weiter zu erschweren, sei nicht hinnehmbar. „Der psychische Druck auf die Schulkinder ist enorm. Anhand von zwei Noten werden sie in den Hauptschulzweig gesteckt.“

Die Petition der Initiative ist auf dem Portal „openpetition.de“ abrufbar.
Die Petition der Initiative ist auf dem Portal „openpetition.de“ abrufbar.
(Foto: Franz Ruch)

Tullners Argument, dass so Schulabbrüche verhindert werden könnten, will sie nicht gelten lassen. „Es gibt bereits Projekte des Bildungsministeriums gegen Schulabbrecher“, sagt sie. Diese hätten allerdings Inklusion und gemeinsames Lernen im Fokus, was sie auch für den erfolgversprechenden Weg halte.

„Die Einsparmaßnahmen führen nicht zum Erfolg, es wird lediglich das Niveau gesenkt.“

Ein Nebeneffekt der Neuregelung wäre auch, dass mehr Jugendliche schon nach der neunten Klasse die Schule verlassen und die Lehrkräfte so theoretisch mehr Wochenstunden auf die anderen Klassen verteilen könnten. „Auf diese Weise soll der Lehrermangel nur schöngerechnet werden“, sagt Katharina Kraus und erhält Unterstützung von Thomas Senger, dem Vorsitzenden des Stadtelternrats: „Die Einsparmaßnahmen führen nicht zum Erfolg, es wird lediglich das Niveau gesenkt.“ Wer wieder mehr Lehrkräfte an Sekundarschulen haben will, müsse den Beruf an dieser Schulform attraktiver gestalten und nicht nur „Schönheitskorrektur für Zahlen“ betreiben.

Die Fahrrad-Demo startete am Mittwoch um 15 Uhr am Steintor. Die Route führte über die Magistrale, die zeitweise für Autofahrer gesperrt war, bis nach Neustadt und von da aus über die Blücherstraße zurück zum Landesmuseum. Dort gab es bis 18.30 Uhr eine Kundgebung mit Redebeiträgen vom Stadtelternrat, der Gewerkschaft GEW und verschiedener Parteien. Außerdem gab es musikalische Unterstützung einiger lokaler Künstler. (mz)