"Es hat mächtig reingehauen" "Es hat mächtig reingehauen": Wie Halles Veranstalter in der Pandemie kämpfen

Halle (Saale) - Als im Frühjahr coronabedingt der Lockdown ausgerufen wurde, stand das gesellschaftliche Leben auch in Halle still. Die Erinnerung daran, dass Geschäfte, Bildungseinrichtungen, Kinos, Sportstätten und Clubs wochen-, ja monatelang geschlossen waren oder auch noch sind, ist fast schon wieder verblasst. Erst recht, seitdem die meisten Bereiche des Lebens wieder so gut wie in den Normalzustand zurückgekehrt sind - bis auf die Veranstaltungsszene.
Deren Vertreter waren diejenigen, die zu Beginn des Lockdowns mit als Erste der Möglichkeit beraubt waren, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten - und viele von ihnen sind es bis heute. Ob DJ oder Techniker, Bühnenbauer, Clubbetreiber oder Inhaber einer Veranstaltungsagentur - eine ganze Branche hat Corona mit Wucht getroffen, nicht nur in der Saalestadt, wie Demonstrationen unter anderen in Berlin und London zeigen.
„Es hat natürlich auch bei uns mächtig reingehauen“
„Es hat natürlich auch bei uns mächtig reingehauen“, sagt Mathias Schwarz, einer der beiden DJs des halleschen Duos Super Flu, das in der oberen Liga der internationalen DJ-Szene mitmischt. „Wir waren für das ganze Jahr ausgebucht.“ Auf dem Tourplan standen zwei USA-Touren, Australien, Südamerika - und das nur an großen Events, die „kleineren“ in ganz Europa und Nahost nicht mitgerechnet.
„Als es losging, war uns schnell klar, dass das Ganze nicht so schnell vorbei sein würde“, so Schwarz’ DJ-Partner Felix Thielemann. Als sämtliche Clubs geschlossen wurden, blieb nur noch die Sommer- Hoffnung auf Open Air und Festivals. „Viele Gigs wurden zwar um ein Jahr verschoben, aber das nützt uns momentan nichts“, so Schwarz.
„Wir bleiben in Bewegung“
Doch die DJs der Spitzenklasse haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet, sie reagieren flexibel und nutzen auch kurzfristige, unrentable Angebote und Chancen, so dass ihr Überleben nicht auf dem Spiel steht - noch nicht. Auch einige Touren konnte Super Flu absolvieren, neben deutschen Städten in die Schweiz und nach Tunesien, eine Anfrage aus Kairo gab’s auch.
Meist lohnen sich die Gigs nicht wirklich, aber: „Wir bleiben in Bewegung.“ Die Corona-Zwangspause haben die DJs zudem genutzt, um neue Tracks zu produzieren. „Aber dazu brauchen wir die Live-Reaktion des Publikums“, so Schwarz, der wie alle auf die Lockerungen ab 1. November hofft.
Neun Festivals hätten 2020 angestanden
Ähnlich sieht es für das „Endlos“-Team aus. Der Club im halleschen Osten lebt in der Sommersaison von Festivals über Europa hinaus, baut dort Bühnen für Groß-Events mit Tausenden von Besuchern. Eigentlich. Denn, so „Endlos“-Mitgründer Leo Schumann, natürlich seien fast alle ausgefallen. Schade auch, dass die lange vorbereitete Wiedereröffnung des „Endlos“ im April ausfallen musste. „Da steckte viel Arbeit drin“, so Schumann.
Neun Festivals hätten 2020 angestanden, Tausende Tickets seien verkauft gewesen. Fünf kleinere Events mit entsprechenden Hygienemaßnahmen konnten dann doch stattfinden, unter anderem im polnischen Danzig und in Österreich - auch für das „Endlos“-Team keineswegs kostendeckend. Jetzt komme es für den Club, der ab Herbst wieder mehr von Indoor-Events lebt, auf die Mitwirkung der Clubbesucher an. „Alle müssen die Hygienemaßnahmen mittragen, sonst können wir dicht machen“, so „Endlos“-Chef Leo Schumann.
„Auswirkungen für private Veranstaltungsagenturen sind dramatisch“
Schwer getroffen von Corona ist auch das Cultourbüro Herden. „Die Auswirkungen für private Veranstaltungsagenturen durch die Pandemie sind dramatisch“, sagt Ulf Herden, dessen Agentur in diesem Jahr nicht einmal die Hälfte der Veranstaltungen realisieren kann. Pro Jahr organisiert Herden normalerweise mehr als 80 Veranstaltungen.
Von März bis August ging dann nichts mehr - inklusive des Cultoursommers mit 38 Veranstaltungen. Langfristig geplante Veranstaltungsreihen seien für 2020 komplett abgesagt, für 2021 sei kaum etwas planbar. Dennoch setzt Herden auf Neustart, seit Ende August gab es - unter anderem mit Women in Jazz - wieder Veranstaltungen, wenn auch mit der Hälfte der Besucherkapazität, was auf Dauer für Künstler wie Agenturen schwer zu kompensieren sei.
So sieht es auch Sascha Sachse. Der Geschäftsführer von Känguruh Production, der seine Leute in Kurzarbeit schicken musste, verzeichnet seit März 90 Prozent weniger Einnahmen, das Steintor arbeite ohne Subventionen. Auch für ihn sei dramatisch, nicht planen zu können. Dennoch starte auch das Steintor durch - mit interessanten Veranstaltungen. Jetzt müssten sich nur noch die Leute aufraffen und die Konzerte auch besuchen. (mz)