Engel in Extremsituationen Engel in Extremsituationen: Warum Notfallseelsorger so wichtig sind

Halle (Saale) - Tausende Menschen in Halle und dem Saalekreis engagieren sich ehrenamtlich und machen so das Leben für andere ein Stück schöner: im Sport, im sozialen Bereich oder für Kinder und Jugendliche. Ein ganz besonderes Ehrenamt haben jedoch 25 Männer und Frauen für Halle und den nördlichen Saalekreis übernommen - sie sind als ehrenamtliche Notfallseelsorger im Einsatz.
Notfallseelsorger aus Halle - „Wir schauen, was gebraucht wird“
Bei Großlagen wie dem Anschlag vom 9. Oktober, aber auch bei Suiziden, Unfällen und Katastrophenlagen stehen sie Menschen zur Seite. Sie begleiten auch Polizeibeamte, die eine Todesnachricht an Angehörige überbringen. Träger des 1998 in Halle etablierten Projekts sind der evangelische Kirchenkreis und der Arbeitersamariterbund (ASB). Im südlichen Saalekreis sind 18 Notfallseelsorger tätig; das Team wird über den evangelischen Kirchenkreis Merseburg koordiniert.
„Wir schauen, was gebraucht wird“, sagt die ehemalige TV Halle-Moderatorin Ute Tietz, die zum Notfallseelsorger-Team gehört. Manche Menschen möchten reden, andere schweigen - auch das halten die Notfallseelsorger aus. „Wir erteilen keine Ratschläge“, ergänzt Landespolizeipfarrerin Thea Ilse, die für die Ausbildung der 360 Notfallseelsorger zuständig ist, die in ganz Sachsen-Anhalt in 22 Teams zum Einsatz kommen. Für die Ehrenamtlichen aus Halle und dem Saalekreis gibt es im Schnitt 100 bis 110 Einsätze im Jahr.
Notfallseelsorger möchten Menschen zurück geben
Was treibt die Freiwilligen dazu, eine so schwere Aufgabe zu übernehmen? Nadja Kirscher zum Beispiel hatte selbst Trauerbegleitung nach einem Todesfall als große Hilfe erlebt und sagt: „Ich möchte ein Stück zurückgeben.“ Anderen Menschen zu helfen, aber auch fremde Menschen kennenzulernen und sie zu begleiten sei eine spannenden Aufgabe.
Aber eben auch keine leichte. Deswegen gibt es einige Voraussetzungen für Menschen, die als Notfallseelsorger ehrenamtlich tätig sein möchten: Sie müssen im Alter zwischen 25 und 70 Jahren sein, psychisch und physisch stabil sein und müssen die Fähigkeit haben, das Private zu Hause lassen zu können. Empathiefähigkeit und auch das Vermögen, mit wildfremden Menschen sprechen zu können, sind weitere Voraussetzungen. In einer 100-stündigen Fortbildung werden sie auf ihre Aufgaben vorbereitet.
Notfallseelsorger gute Ergänzung zur Feuerwehr und Rettungsdienst
Michael Kriebel ist nach dieser Ausbildung erst seit einem halben Jahr im Einsatz. So zum Beispiel auch rund um den 9. Oktober, aber auch, als es galt, eine Familie nach dem Suizid eines Angehörigen zu betreuen. „Niemand hatte damit gerechnet, es ist schwer, diese Entscheidung zu akzeptieren“, sagt er. Man könne sich im Vorfeld dieses Ehrenamtes nicht vorstellen, was einen erwartet. „Es ist eine andere Welt, die man betritt. Viele Sachen muss man einfach aushalten“, sagt er. Und immer wieder in das Schulungsmaterial schauen.
Die Notfallseelsorger, die nach einem Dienstplan dreimal pro Monat eine Zwölf-Stunden-Rufbereitschaft haben, werden ausschließlich über die Leitstellen und die Polizei gerufen. „Wir werden von der Feuerwehr oder dem Rettungsdienst immer freundlich empfangen, weil sie uns als eine gute Ergänzung schätzen“, sagt Annett Göhre, die seit zwölf Jahren im Team ist. „Wir sind für die Seelen da.“ Doch auch wenn es die Betroffenen ebenso schätzen, dass jemand für sie da ist, so komme es auch vor, dass sie sich später nicht an die Gespräche erinnern - sie standen unter Schock.
Ab sofort und bis zum 7. Februar 2020 können MZ-Leser Ehrenamtliche aus Halle und dem Saalekreis für den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ vorschlagen. Selbstnominierungen sind nicht zulässig. Eine Jury entscheidet, wer die drei Einzelpreise und die Auszeichnung für eine Gruppe erhält. Die Gala, bei der die Bürgerpreise verliehen werden, ist am 25. April 2020 im Neuen Theater Halle. Zudem wird dann auch wieder ein Prominenter geehrt, der sich um die Region verdient gemacht hat.
Vorschläge sind möglich auf der Internet-Sonderseite der Mitteldeutschen Zeitung unter www.mz.de/esel oder an die E-Mail-Adresse [email protected] oder per Brief an Saalekurier, Delitzscher Straße 65, 06112 Halle. Erforderlich sind Angaben zur nominierten Person, deren Ehrenamt und deren vollständige Kontaktdaten, ebenso die Kontaktdaten des Einsenders. Ohne diese Angaben wird der Vorschlag nicht berücksichtigt.
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Notfallseelsorge keine Probleme Ehrenamtlich zu finden
Die Notfallseelsorger sind jedoch nur für den ersten Einsatz da, Betroffene werden dann innerhalb eines Netzwerkes weitervermittelt an andere Stellen, die ihnen weiterhelfen. „Das Ehrenamt als Notfallseelsorger soll begrenzt sein. Denn eine Trauerbegleitung dauert ein bis zwei Jahre“, erläutert Thea Ilse.
Anders als in mancher anderen Organisation gibt es bei der Notfallseelsorge keinerlei Probleme, neue Ehrenamtliche zu finden. „Es kommen immer wieder Menschen zu uns, die Interesse haben, mitzumachen“, freut sich Thea Ilse. (mz)