Ein fast vergessener Ehrenbürger
Halle/MZ. - Aber wer ist Albert Roth, dem 1907, vor 100 Jahren, die Ehrenbürgerwürde verliehen wurde und nach dem auch eine Straße in der Silberhöhe benannt ist?
Der langjährige Stadtverordnete, der als Rittergutsbesitzer die städtischen Landgüter Gimritz und Beesen technisch und ökonomisch auf den Stand der Dinge brachte, ist heute praktisch vergessen. Auch wenn die Laudatio, die der damalige Oberbürgermeister der Stadt, Richard Rive, hielt, geradezu überschwänglich war: "Selbstlos in Treue, recht im Urteil, gerade im Wort, besonnen im Handeln, schlicht in der Art war hier ein Mann, den Bürger und Behörden als das nacheifernswürdige Vorbild eines wahren Vertreters der Bürgerschaft sahen."
Wenig Konkretes ist über das Schaffen bekannt. Zwar widmete das "Jahrbuch für hallische Stadtgeschichte 2006" im Rahmen eines Aufsatzes über Ehrenbürger der
Stadt Albert Roth ein kleines Kapitel, das aber im wesentlichen nur den Text der Verleihungsurkunde und einen Dankesbrief Roths enthält. "Wir haben für Albert Roth nicht mehr Informationen in den Akten des Stadtarchivs gefunden", sagt Herausgeber und Stadtarchivar Ralf Jacob.
1870 wurde Roth als 44-Jähriger zum Stadtverordneten gewählt, und zwar als "Nachrücker" für einen Buchhändler Bertram, der aus unbekannten Gründen aus der Versammlung ausgeschieden war. Sechsmal wurde Roth wiedergewählt und gehörte bis 1907 - als er bereits 81 Jahre alt war - der Stadtverordnetenversammlung an. Für sein 38 Jahre andauerndes Engagement beschloss die Stadtverordnetenversammlung am 16. Dezember 1907, ihm die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Kein unübliches Vorgehen war dies, auch anderen Ehrenbürgern wie dem Oberbürgermeister Johann Ferdinand August Schröner (1842) oder dem Stadtverordneten Carl Dryander (1892) wurde zu ihrem Ausscheiden das Ehrenbürgerrecht verliehen.
Reden machte Albert Roth nach seinem Tode mehrfach von sich. In einer Schenkung ging nach seinem Tod 1917 sein Wohnhaus am Kirchtor 5 an die Stadt Halle, und zwar zu einem einzigen Zweck: Hier sollte der kostenlose Amtssitz für Oberbürgermeister Rive und alle Nachfolger werden. Eigentlich wollten die Roth-Erben das Haus verkaufen, in dem Oberbürgermeister Rive bereits seit längerem als Mieter wohnte. Rive selbst konnte das Haus aus seinen Privateinkünften nicht bezahlen.
Unternehmer als Stifter
Doch der erfolgreiche Bauunternehmer Friedrich Kuhnt - der unter anderem durch den Bau zahlreicher Häuser im Paulusviertel zu Reichtum gekommen war - sprang als anonymer Sponsor in die Bresche. Er schenkte der Stadt Halle 150 000 Mark zum Ankauf des Hauses. Kuhnt begründete seine Stiftung in einem Brief, der im Stadtarchiv zu finden ist, mit den Worten: "Einmal will ich meiner Vaterstadt für alle Zeiten eine würdige Amtswohnung für den ersten Beamten meiner Stadt schaffen. Sodann möchte ich den gegenwärtigen Amtsinhaber, Oberbürgermeister Rive, in Würdigung des Guten und Schönen, was er für unsere Stadt geschaffen hat, die Möglichkeit geben, weiterhin in den von ihm übernommenen Räumen zu bleiben, was beim Übergang des Hauses in fremde Hände zweifelhaft wäre." Doch seit Rive hat kein Oberbürgermeister mehr in der Villa am Kirchtor gewohnt. Bereits 1946 stimmte die Stadt zu, dass die Industrie- und Handelskammer dort Büroräume bezog.
Verkauf diskutiert
Der Verkauf des Hauses stand immer mal wieder zur Debatte. Heute ist nicht einmal die Stadt Eigentümer des Hauses, sondern die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG), die ganz in städtischer Hand ist. Sie hat das Haus mit acht Wohnungen vermietet.
Bis heute gibt es übrigens keine Satzung, die die Regularien für eine Beantragung der Ehrenbürgerwürde vorschreibt. "Jedermann kann einen anderen lebenden Bürger - auch außerhalb von Halle - vorschlagen. Der Stadtrat entscheidet darüber", so Klaus Pankow vom Presseamt der Stadt.
1833 wurde in Halle erstmals von der erst zwei Jahre alten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Ehrenbürger zu ernennen. Erst ab 1919 war diese Anerkennung auch für Frauen möglich.