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Die verlorenen Schätze der Ulrichskirche

Von Günter Kowa 10.11.2006, 19:48

Halle/MZ. - "Die Kirche wird einfach nicht mehr gebraucht", wird Altbischof Johannes Jänicke aus dieser Zeit zitiert. Die Texte erzählen eine bestürzende Geschichte. Denn 1971 beschloss die Ulrichsgemeinde, aufgrund von Mitgliederschwund mit der Marktkirche zu fusionieren. Das Gotteshaus überließ man vertraglich dem Rat der Stadt für 99 Jahre zur kulturellen Nutzung.

Vier Jahre lang dauerte der Umbau zur Konzerthalle. Dies bedeutete tiefe Eingriffe in das Inventar des gotischen Bauwerks, das schon einmal einen politisch gewollten Besitzerwechsel erlebt hatte. Denn 1531 betrieb Kardinal Albrecht den Umzug der Ulrichsgemeinde aus deren Kirche - die er abriss - am nördlichen Ende der nach ihr benannten Ulrichstraße. Die Gemeinde fand ihr Domizil in der Kirche des aufgelösten Ordens der Serviten ("Knechte Mariens").

Ihnen zuzuordnen ist der Hochaltar, der beim Umbau der Sauer-Orgel weichen musste. Dieses sakrale Prachtstück mit einer "Marienkrönung" im Zentrum war selbst zu DDR-Zeiten ein Wallfahrtsziel für Kunstkenner. Zweifach wandelbar zeigt dieser Flügelaltar auf seiner "Alltagsseite" Gemälde der vier Kirchenväter und Szenen aus dem Marienleben, auf den Innenseiten großartige Holzplastiken von Heiligen um Maria mit dem Jesuskind. Die buchstäbliche Krönung aber ist das "Gesprenge", der Aufsatz aus filigran verspielten Baldachinen für weitere Figuren. Datiert ist dieses Werk 1488 und wird einer fränkischen Werkstatt zugeschrieben.

Es gab einen Aufschrei unter Professoren der Kunstwissenschaft an der Universität. Heinrich Nickel, Konrad Mrusek, Erhard Hirsch und andere unterschrieben eine "Eingabe" an den Rat der Stadt mit dem Vorschlag, den Altar in Halle zu lassen und im Dom gegen den barocken Hochaltar auszutauschen. Der Denkmalpfleger Hans Berger wiederum riet, den Altar in die Kapelle der Moritzburg zu überführen. Am Ende verlor ihn Halle doch: an die Wallonerkirche in Magdeburg, wo er heute noch steht.

Dasselbe gilt für das Taufbecken aus Bronze von 1430, und für die Kanzel mit spektakulären, farbig gefassten Renaissancereliefs. Doch in der Wallonerkirche blieb die Kanzel jahrelang im Keller. Sie verstaubte, und die Farbe zerbröselte. In just diesem Zustand hat man sie im Jahr 2000 in die Ulrichskirche zurückgeholt. Auf der Empore lagert sie seitdem und harrt der Restaurierung, für die immerhin schon ein Gutachten vorliegt.

Doch genauso vergessen sind die Reste zweier Grabmale aus dem Barock, die schon 1886 abgebrochen und in die Moritzburg geschafft wurden. Eine Auswahl der Figuren ist zu sehen, die künstlerisch erstrangig, geradezu sensationell zu bezeichnen sind. Ebenfalls neu ans Licht gekommen ist die "Ölberg-Gruppe" vermutlich aus Alt-St. Ulrich, die jetzt in der Albrecht-Ausstellung gezeigt wird. Die Argumente sind nicht mehr zu übersehen, die zumindest langfristig für die Wiederherstellung der Ulrichskirche in ihrer einstigen Würde sprechen.

Die Ausstellung noch ist bis 20. November zu sehen.