Frist für Anträge läuft ab DDR-Unrecht: Opfer stellen noch immer Rehabilitationsanträge
Halle (Saale) - Menschen wurden in der DDR zu Unrecht verfolgt, verurteilt und inhaftiert. Um das wieder gut zu machen, gibt es das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz - doch um darüber Anträge auf Rehabilitation und für Opferrenten zu stellen, läuft die Antragsfrist am Ende des Jahres aus.
Wie viele Bürger das in Halle seit der Wende bereits in Anspruch genommen haben, berichtet Birgit Neumann-Becker, Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die 55-Jährige war vor ihrer Ernennung als Pfarrerin tätig und stammt aus Halle.
SED-Unrecht: Seit der Wende haben Zehntausende Hallenser Anträge gestellt
„Insgesamt sind bislang 36.908 Anträge gestellt worden, zirka hälftig in Halle“, so die Beauftragte. Diese Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung werden bei den Landgerichten gestellt, „beide Landgerichte in Halle und Magdeburg werden praktisch gleich stark angefragt“. Zuletzt gab es 2018 noch mal 173 neue Anträge in Halle, 167 in Magdeburg.
„Dass es jedes Jahr rund 300 bis 350 neue Anträge gibt, zeigt, dass es nach wie vor viele Menschen gibt, die gar nicht bemerkt haben, dass sie antragsberechtigt sind“, sagt Birgit Becker-Neumann. Oft sei es dasselbe Szenario: Wer in Rente gehen will, bemerkt plötzlich eine Lücke in den Rentenpunkten - und diese ist in einigen Fällen Folge von Inhaftierungszeiten.
Kampf dafür, dass DDR-Unrecht kein Verfallsdatum hat
Wenn man bedenke, so die Beauftragte, wie viele Menschen während der Wende erst um die 20 Jahre alt waren und möglicherweise zu Unrecht in Jugendwerkhöfen gesessen haben, sich aber heute als etwa 50-Jährige noch keine Gedanken um Rentenfragen machen - dann wisse man, dass auch in den Folgejahren die Frage der Rehabilitation weitergeht.
Aus diesem Grund kämpft Birgit Neumann-Becker seit Längerem für die Entfristung der Antragspflicht. „Ich habe schon 2017 die Landesregierung aufgefordert, sich beim Bundesrat für eine Entfristung einzusetzen.“
Das ist auch geschehen mit dem Ergebnis, dass der Bundesrat sich 2018 für eine komplette Entfristung ausgesprochen hat. „Es fehlt nur noch ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung“, sagt sie. Da diese Entfristung aber eben noch nicht Gesetz ist, weist ihre Behörde derzeit immer wieder auf das derzeitige geltende Fristende am 31.Dezember 2019 hin.
Was passiert, wenn man erfolgreich auf Rehabilitation geklagt hat?
Wer erfolgreich auf Rehabilitation geklagt hat, kann neben einer Opferrente auch eine Haftentschädigung beantragen. Davon profitierten allein 2017 knapp 16.000 Personen, rund 10.500 Menschen erhielten 2017 zusätzlich Opferrenten. Hierzu gibt es leider nur landesweite Zahlen, so Becker.
Es gibt jedoch noch eine weitere Opfergruppe, für die sich die Beauftragte einsetzt: die Opfer des DDR-Staatsdopings. Auch sie können nach einer Frist-Verlängerung nun bis 31. Dezember dieses Jahres eine Entschädigung beantragen. „Für die Betroffenen des DDR-Staatsdopings hatten wir im November und Dezember 2016 je einen gut besuchten Informationstag in Magdeburg und Halle, mit einer individuellen Beratungsmöglichkeit am Folgetag“, berichtet sie.
Gesprächsgruppe startet in Halle
Auf Nachfragen bei der Landesbeauftragten habe sich der Bedarf herauskristallisiert, eine Gesprächsgruppe für Betroffene von DDR-Staatsdoping anzubieten. Diese startet am 19. Februar um 17 Uhr im Caritas-Regionalverband Halle in der Mauerstraße.
„Als Räumlichkeiten wurden zentrumsnahe, aber auch bahnhofsnahe, barrierefreie Räume gesucht und in diesem Fall von der Caritas Halle gemietet“, erklärt Birgit Becker-Neumann. Die Wahl sei mit Rücksicht auf die Mehrzahl der speziell an der Gruppe Interessierten auf Halle gefallen, mit dem Nebeneffekt, dass auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Leipziger Region dazu gestoßen sind.
››Birgit Becker-Neumann berät jeden ersten Donnerstag im Monat Betroffene von DDR-Unrecht. Für den Termin am Donnerstag, 7. Februar, im Verein Zeit-Geschichten, Großen Ulrichstraße 51, sind noch einige Termine frei. Anmeldung unter Tel.: 0391/5601501. (mz)