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"Das weiß ja kaum noch jemand" "Das weiß ja kaum noch jemand": Das waren Halles alte Fabriken

Von Katja Pausch 26.11.2020, 14:30
Autor und Sammler Herbert Viehmann mit seinem Buch vor der ehemaligen Bäckereimaschinenfabrik in der Otto-Stomps-Straße
Autor und Sammler Herbert Viehmann mit seinem Buch vor der ehemaligen Bäckereimaschinenfabrik in der Otto-Stomps-Straße Marie Mohs

Halle (Saale) - Halle ist nicht nur bekannt als Salz- und Händelstadt, sondern Halle hat auch eine lange Tradition als angesehener Industriestandort. Viele, zum Teil weit über die Stadtgrenzen und auch über die Region hinaus bekannte Firmen und Unternehmen haben über Jahrhunderte das hallesche Stadtbild geprägt.

Die Geschichte von 128 dieser Unternehmen hat nun der hallesche Hobby-Autor Herbert Viehmann in einem reich bebilderten Band im Eigenverlag herausgegeben. Auf knapp 400 Seiten gibt der 72-Jährige, in seinem Berufsleben als selbstständiger Einzelhändler tätig und seit 2010 pensioniert, einen interessanten Einblick in hallesche Industrie-, Handels- und Handwerksbetriebe des 19. und 20. Jahrhunderts.

„Ich stöbere viel auf Flohmärkten"

Die Idee zum Buch sei ihm vor rund zehn Jahren gekommen, sagt der gebürtige Wittenberger, der als begeisterter Sammler über eine Vielzahl an alten Firmenrechnungen, historischen Postkarten mit Abbildungen hallescher Betriebe und zahlreiche andere Dokumente verfügt. „Ich stöbere viel auf Flohmärkten und finde vieles auch über Online- Kaufangebote und -gesuche“, so der Hobby-Historiker, der zum Thema in alten Ausgaben des „Halleschen Adressbuchs“ sowie in Archiven der Stadt, der Universität und im Landesarchiv in Merseburg recherchiert und mit dem umfassenden Buch geradezu einen heimatgeschichtlichen Schatz gehoben hat.

Eines der interessantesten Dokumente in Viehmanns Buch ist eine Rechnung vom 16. April 1913, die die damalige Portland-Cement-Fabrik Halle an „Herrn Maurermeister Karl Pabst, Wittenberg“ gestellt hat. „Firmenrechnungen waren um die Jahrhundertwende richtige kleine Kunstwerke“, weiß Herbert Viehmann. Das Besondere an eben dieser Rechnung sei aber nicht nur, dass ein Nachfahre besagten Handwerksmeisters Pabst zufällig Viehmanns Schulfreund war - vielmehr zeige der kunstvoll mit einer Zeichnung geschmückte Rechnungskopf die einzig erhaltene Darstellung der Portland-Cement-Fabrik, die ihren Standort dort hatte, wo heute das Neustand Centrum steht.

„Das weiß ja kaum noch jemand“

„Das weiß ja kaum noch jemand“, so Autor Viehmann. Gleiches gelte auch für die Zigarettenfabrik namens „Brasella“, die Inhaber August Brasel einst im Hinterhof der Berliner Straße 6 gegründet hat. Das älteste Unternehmen, das Viehmann in seinem ebenso umfang- wie aufschlussreichen Buch vorstellt, ist ein Kolonialwarenhandel samt Kaffeerösterei, den Reichert jun. im Jahre 1805 in der Burgstraße 69, nahe der Gosenschänke, eröffnet hat.

Ob die weltbekannte Schokoladenfabrik Mignon von David und Söhne, Max Eggerts Stärke- und Puderfabrik, die Wilhelm-Rauchfuß-Brauerei AG Halle und Giebichenstein oder die Mostrich- und Speiseölfabrik der Gebrüder Kohlmann, die Hallesche Fahnenfabrik der Geschwister Dressler oder Carl Richard Ritters Flügel- und Pianofabrik - Herbert Viehmann macht in seiner Publikation längst vergessene hallesche Industriegeschichte wieder lebendig. „Es ist wahnsinnig interessant zu sehen, welche Firmen es in Halle gab“, so der Hobby-Historiker, der noch jede Menge weiteres, unveröffentlichtes Material in seinem Archiv hat. Vielleicht, sagt Herbert Viehmann, wird daraus ja noch ein zweiter Band.

››Buch (40 Euro) nur erhältlich per Mail an [email protected] (mz)

Der Rechnungskopf vom 16. April 1913 zeigt die einzig erhaltene Darstellung der Portland-Cement-Fabrik, die in Neustadt ihren Standort hatte.
Der Rechnungskopf vom 16. April 1913 zeigt die einzig erhaltene Darstellung der Portland-Cement-Fabrik, die in Neustadt ihren Standort hatte.
Silvio Kison