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Das Jahr 2002 Das Jahr 2002: Bewegende Reise in die Vergangenheit

Von Diana Dünschel 26.12.2002, 18:29

Langenbogen/MZ. - Fragt man den Langenbogener Helmut Zimmermann, was für ihn das bewegendste Erlebnis 2002 ist, braucht der 65-Jährige nicht lange zu überlegen. Eine Fahrt nach Westsibirien mit Schwester und Schwager wurde für ihn zu einer Reise in die Vergangenheit. Dort, im Kusbas östlich von Novosibirsk, fand sein Vater als Kriegsgefangener in einem Internierungslager vor 55 Jahren seine letzte Ruhestätte.

Als ältester von fünf Geschwistern hat der Rentner nicht nur die deutlichsten Erinnerungen an seinen Vater, der Kaufmann in Zittau war. Auch dessen Verhaftung 1945 und die anschließende Zeit, als seine Mutter als Krankenschwester die Familie ernährte und er für die jüngeren Kinder die Rolle des Mannes im Hause übernahm, hat sich ihm tief ins Gedächtnis gegraben. Die Briefe von Albert Zimmermann aus dem "Gelben Elend" in Bautzen an die Mutter bewahrt er gut auf. "Besuche im Gefängnis waren ihr verboten. Ich hätte einmal noch meinen Vater sehen können, habe mich aber allein nicht getraut, hineinzugehen", schildert der gebürtige Sachse. Im Frühjahr 1947 riss der Kontakt plötzlich ab. Erst drei Jahre später erreichte die Mutter ein Schreiben von Heimkehrern aus Sibirien. Sie teilten den Tod des Familienvaters mit und schickten auch die drei Fotos, die er bis zuletzt bei sich getragen hatte. Sie sind abgegriffen und zerknittert, und wenn Helmut Zimmermann sie heute in die Hand nimmt, kann er Tränen kaum zurückhalten.

Jahrzehntelang blieb das wahre Schicksal seines Vaters im Dunkeln. "Meine Mutter ist inzwischen 20 Jahre tot. Eben auch für sie Näheres über die letzten Monate meines Vaters zu erfahren, war meine Motivation", erklärt der 65-Jährige seine Anstrengungen, die dank einer Adresse in einem Leserbrief der Mitteldeutschen Zeitung endlich von Erfolg gekrönt wurden.

Das Suchreferat der Organisation "Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft" in Moskau schickte diverse Unterlagen über den Lageraufenthalt des Vaters in Sibirien nach Langenbogen - Vernehmungsprotokoll, Krankenakte, Totenschein und Beisetzungsprotokoll. Zimmermann: "Das hätte ich nie für möglich gehalten."

Für die einwöchige Reise nach Sibirien im Sommer knüpfte er Kontakte zum Generalkonsulat in Novisibirsk und dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Ein Historiker, der sich mit dem Schicksal deutscher Kriegsgefangener befasst hat, empfing die drei Deutschen. Die Einweihung einer kleinen Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Lagerfriedhofs, wo auch Albert Zimmermann begraben liegt, gehörte für die Familiendelegation zu den ergreifendsten Stunden vor Ort.

"Nur wenige von Buschwerk überwucherte Fundamente sind vom Lager übrig geblieben", so Zimmermann. Über sie hat er eine umfassende Dokumentation für alle Geschwister erarbeitet. "Heute bin ich schon 16 Jahre älter als mein Vater, als er starb." Der Aufenthalt in Sibirien werde für ihn lange Zeit das bewegendste Ereignis bleiben.

Die E-Mail-Adresse des Suchreferates lautet: suchreferat.

[email protected]