Werke für jede Wetterlage Buchhändlerin eröffnet zweiten Laden in Halle
Theresa Donner wagte trotz Expertenwarnung die Eröffnung eines Buchladens in Halle. Nun hat sie zwei. Warum sie sich dazu entschieden hat.

Halle (Saale) - Man sollte für jede Lebenslage ein Buch haben, sagt Theresa Donner - „und auf jeden Fall eines in der Handtasche, falls man irgendwo warten muss“. Das hat die Frau mit dem Faible für Geschichten schon immer so gehandhabt - auch bevor sie mit Ende zwanzig Buchhändlerin wurde. In Halle betreibt sie seit 2017 erfolgreich den kleinen Buchladen „heiter bis wolkig“, der Name ist eine Anspielung auf ihren eigenen. Es sei damals eine Bauchentscheidung gewesen, den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen, und „es war auch Glück dabei“, erzählt die 32-Jährige. „Ich fühle mich hier sehr angekommen.“
Dabei hatte Theresa Donner zuvor mit Halle nie etwas zu tun gehabt, wie sie sagt. Aus Parchim in Mecklenburg-Vorpommern stammend, studierte sie zunächst Romanistik in Jena, ging für den Master in Angewandter Literaturwissenschaft nach Berlin, arbeitete nebenbei beim Suhrkamp Verlag, später in einer großen Buchhandlung. Doch während ihres Volontariats beim Goethe-Institut in München bekam ihr Mann eine Anstellung an der Uni Halle. Sie ging also auf Jobsuche in der Saalestadt, fand aber erst einmal nichts, was ihren Vorstellungen entsprach. Bis sie an dem kleinen, leerstehenden Eckladen in Halles Paulusviertel vorbeikam, das sie als „Prenzlauer Berg Halles“ bezeichnet.
Jetzt oder in fünfzig Jahren
Der Traum vom eigenen Buchladen war nichts Neues für die Literaturbegeisterte - und nun sehr konkret geworden. „Die Entscheidung lautete: Es jetzt oder dann in 50 Jahren probieren, was ja der Klassiker ist“, sagt Theresa Donner. Experten von der Industrie- und Handelskammer und vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels haben ihr von dem Ladengeschäft abgeraten, erzählt sie - „die Fläche sei zu klein, die Lage nicht gut genug“. Seit Jahren ist hierzulande die Zahl der Buchhandlungen rückläufig: Verzeichnete der Börsenverein 2012 noch genau 5.248 Mitgliedsbuchhandlungen, so waren es 2019 nur noch 4.361. Auch in Mitteldeutschland ist diese Entwicklung zu beobachten. In Sachsen-Anhalt gab es Ende 2012 insgesamt 92 Buchhandlungen (Sachsen 216, Thüringen 92), Ende 2019 waren es 75 (beziehungsweise 173 und 85).
Theresa Donner wagte es trotzdem. Viel Platz hat sie in dem rund 40 Quadratmeter kleinen Laden bis heute nicht. Dafür aber bereits einen zweiten - im Giebichensteinviertel, nur wenige 100?Meter Luftlinie entfernt und nicht größer als ihr erster. „Beide werden von den Menschen im Kiez sehr gut angenommen, wir haben viele Stammkunden“, berichtet die Buchhändlerin, die 2019 Mutter geworden ist und heute drei Mitarbeiter beschäftigt. Sie selbst pendelt ständig zwischen den beiden Standorten und steht noch immer am liebsten selbst im Laden, um mit ihren Kunden über Bücher zu reden.
Angebot saisonabhängig
Zur Frage, wie sie angesichts des begrenzten Platzes auswählt, was in den Regalen stehen darf, erklärt sie: „Es gibt natürlich Bücher, die muss man bieten. Bestseller wie von Juli Zeh oder Christian Kracht. Daneben steht dann das Werk einer Debütantin, deren Geschichte wir gut finden, oder ein Buch, das wir wegen des tollen Covers eingekauft haben.“
Das Cover ist ein Kriterium? „Durchaus. Bei etwa 10.000 Neuerscheinungen im Jahr allein in der Belletristik ist das gar nicht anders möglich - auch wenn man dann natürlich mal danebenliegt.“ Das Angebot sei sehr saisonabhängig, „der Buchmarkt ist äußerst schnelllebig geworden“, sagt Theresa Donner, deren Lieblingsbuch Ben Lerners Roman „Die Topeka Schule“ ist - „das würde ich gern ein zweites Mal lesen, aber das ist zeitlich leider gerade nicht drin“.
Hamsterkäufe vor Ostern
Dass die Eröffnung ihres zweiten Ladens im Juli vorigen Jahres mitten in die Corona-Krise fiel, war für das Geschäft kein Nachteil, wie sie erzählt. Im Gegenteil. „Die Buchhandlungen in Sachsen-Anhalt hatten ja das Glück, die ganze Zeit über geöffnet bleiben zu dürfen.“ Es habe viel Solidarität der Kundschaft gegeben, zudem habe ihr erster „heiter bis wolkig“-Laden etliche neue Kunden gewonnen, der Online-Shop lief gut. In der ersten Zeit, vor allem kurz vor Ostern 2020, sei die Nachfrage etwa nach Rätselheften für Kinder oder kleinen Geschenken nach oben geschnellt. „Das waren fast schon Hamsterkäufe wie beim Klopapier“, erinnert sich die Buchhändlerin.
Vor der Konkurrenz des großen Online-Handels fürchtet sie sich nicht. Zum einen könne auch sie die Titel zum nächsten Tag bestellen, „zum anderen gestalten wir die Stadt mit“. Gegenüber den Platzhirschen der Branche sei das Persönliche ein großes Pfund, ist Theresa Donner überzeugt. „Wir brauchen keine Algorithmen und Datenanalysen.“ (mz)