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Brennpunkt Schlosserstraße Brennpunkt Schlosserstraße in Halle: Anwohner klagen über Roma-Familien

Von Dirk Skrzypczak 21.08.2017, 07:00
Mitarbeiter(innen) des Ordnungsamtes stellten sich in der Schlosserstraße den Anwohnern, um mit ihnen über die Probleme zu sprechen.
Mitarbeiter(innen) des Ordnungsamtes stellten sich in der Schlosserstraße den Anwohnern, um mit ihnen über die Probleme zu sprechen. Dirk Skrzypczak

Halle (Saale) - Es ist eher ruhig an diesem Abend in der Schlosserstraße. Roma-Frauen mit Kindern huschen auf dem Gehweg vorbei. In einem Fenster sitzt ein junger Mann und filmt mit einem Handy die Gruppe von etwa 40 Anwohnern, die sich auf der anderen Straßenseite versammelt. Mitarbeiter des Ordnungsamts fahren vor. Sie suchen das Gespräch, notieren Vorwürfe. Seit Anfang März rumort es in dem Viertel, in dem etwa 15 rumänische Familien leben. Die unterschiedlichen Kulturen prallen seitdem im Alltag aufeinander. Das führt zu Spannungen und zu Aggressivität. Auf beiden Seiten.

„Wir sind vor zehn Jahren hierher gezogen. Das ist eine schöne Wohngegend gewesen. Aber jetzt haben wir die Probleme“, sagt Heinz Freitag. In der Gruppe kocht der Zorn. Es geht um Lärm bis tief in die Nacht, Müll auf den Straßen, Einbrüche in Keller, zerkratzte Autos, kleine Kinder, die bis spät in die Nacht hinein im Freien sind, sexuelle Belästigungen. „Wir leben im Terror“, meint eine junge Frau.

Von Rumänen bespuckt oder mit Steinen beworfen

Andere berichten, dass sie von den Rumänen bespuckt oder mit Steinen beworfen werden. „Auf Facebook werden wir beschimpft und als rechtsradikal bezeichnet, weil wir uns kritisch über die Roma äußern. Aber die, die das schreiben, wohnen nicht hier“, heißt es in der Runde.

Dass die Polizei in der Schlosserstraße keinen Schwerpunkt der Kriminalität sieht, auch das Ordnungsamt der Stadt von einer Verbesserung der Lage spricht, seit die Sicherheitsbehörden präsenter sind, können die Leute hier nicht verstehen. „Die Menschen haben es mittlerweile aufgegeben, Anzeigen oder Beschwerden zu erstatten, weil sie das Gefühl haben, dass nichts passiert“, weiß Gunter Haas aus vielen Gesprächen mit Anwohnern.

Schulhof der KGS Hutten: Leere Schnaps- und Bierflaschen sowie kaputte Pullen

Haas ist Schulleiter der Kooperativen Gesamtschule „Ulrich von Hutten“, die sich direkt im Brennpunkt befindet. Sein Problem: leere Schnaps- und Bierflaschen sowie kaputte Pullen, die auf das Schulgelände fliegen oder dort nach nächtlichen Zechereien zurückgelassen werden. Um die KGS zu sichern, hat die Stadt in der Schlosserstraße einen Metallzaun als Abgrenzung zur Schule installieren lassen - der alte Maschendraht hält ungebetene Gäste nicht auf. Die Spitzen des Zauns zeigen nach unten und nicht wie üblich nach oben.

Damit Personen, die über den Zaun klettern, sich nicht verletzen? „Der Zaun bringt nichts, zumal nebenan in der Roßbachstraße noch der alte Zaun steht.“ Er habe den Hausmeister angewiesen, den Müll liegenzulassen. „Es reicht“, so Haas. Und er sehe Anzeichen, dass in Roma-Familien das Kindeswohl in Gefahr sei. Von Zuhälterei ist die Rede. Und was ist mit der Schulpflicht?

Polizei in Halle: Verdacht konnte bisher nicht erhärtet werden

„Die Angaben wurden geprüft, der Verdacht konnte bisher nicht erhärtet werden“, sagt Lisa Wirth, Sprecherin im Polizeirevier Halle. Und sie widerspricht den Vorwürfen aus dem Viertel, die Polizei tue nichts und schaue weg. „Wir nehmen die anhaltenden Beschwerden ernst. Der Bereich wird nach wie vor durch Polizeibeamte bestreift.“ Es seien vor allem Polizisten im Zivil im Einsatz. Strafrechtlich relevante Delikte seien bislang nicht festgestellt worden. Auch das Ordnungsamt ist regelmäßig vor Ort.

In diesem Jahr habe man bislang sogar weniger Straftaten in dem Viertel registriert als im gleichen Zeitraum 2016, so Wirth: „Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen mit rumänischer Herkunft ist ebenfalls sehr gering.“ Wie passt das mit den Schilderungen der Leute zusammen? Eine Frau zeigt der MZ den Teil des Hauskomplexes, in dem sie wohnt. Die Eingangstür ist zerstört, das Treppenhaus in einem verlodderten Zustand.

Schlosserstraße Halle: „Das war alles frisch saniert“

„Das war alles frisch saniert“, sagt die Bewohnerin, die aus Angst vor Racheakten ihren Namen nicht nennen will. Lichtschalter sind abgeschlagen. Im Keller fehlen die Glühbirnen in den Fassungen. Haben sie und die anderen Deutschen versucht, mit den Rumänen zu sprechen? „Ja, aber sie zucken nur mit der Schulter. Nix verstehen, mehr sagen sie nicht.“

Bei den Anwohnern steht Vermieter Günther Cerveny in der Kritik. Er müsse mehr tun, fordern die Leute. „Vor sechs Wochen habe ich einen Schriftsatz verfasst und übersetzt. Darin sind die Regeln erklärt, die hier gelten“, sagt er der MZ. Außerdem habe er die Roma zu einer Gesprächsrunde eingeladen. „Von 15 Familien waren zwölf gekommen. Dank einer Dolmetscherin konnten wir uns gut unterhalten. Danach ist es besser geworden“, berichtet der Unternehmer.

Konflikte mit Rumänen flammen wieder auf

Doch jetzt flammten die Konflikte wieder auf. Cerveny findet es unfair, alle Rumänen unter Generalverdacht zu stellen. „Ich werde die Familien trotzdem noch einmal daran erinnern und ermahnen.“ Außerdem könne er den Roma auch nicht „einfach so“ den Stuhl vor die Tür setzen, wie Anwohner es gern hätten.

Die Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts haben an diesem Abend ebenfalls eine Dolmetscherin dabei. Nach dem Gespräch mit den Anwohnern suchen sie den Dialog mit den Roma. Es sind rumänische Frauen, die vor das Haus kommen. Die Polizei rät derweil, Straftaten zeitnah zur Anzeige zu bringen und bei Problemen auch den Kontakt zum zuständigen Regionalbereichsbeamten zu suchen.

››Für die Schlosserstraße ist Polizeioberkommissar Bernd Helmert der Kontaktbeamte. Telefon: 2242360 oder 0160/2608576. (mz)

Die Wohnanlage ist prägend für die Schlosserstraße. Etwa 15 rumänische Familien wohnen hier. Mit den Anwohnern kommt es zu Konflikten.
Die Wohnanlage ist prägend für die Schlosserstraße. Etwa 15 rumänische Familien wohnen hier. Mit den Anwohnern kommt es zu Konflikten.
Lutz Winkler