Bouldern Bouldern: Gegen die Schwerkraft
Halle (Saale)/MZ. - Es sieht schon ein bisschen lustig aus, wenn sich Florian Beyer mit seiner riesigen Matte auf sein Fahrrad schwingt. Seit fünf Jahren betreibt der 28-jährige Geographie-Student Bouldern, eine Form des Kletterns, bei der lediglich bis zu einer Höhe von vier Metern über eben diesen Matten gestiegen wird. Weil die Aktiven immer ohne Seil klettern, die Sturzgefahr also durchaus vorhanden ist, nennen die Sportler die Matte Crashpad. Und nicht selten passiert es, dass Passanten Florian Beyer darauf ansprechen. "Schau' mal, der hat sein Bett dabei!"
Ganz falsch ist das in der Tat nicht. Denn neben der Funktion, den Aufprall bei einem Sturz zu dämpfen, könnte man beim Campen durchaus gut auf dem Crashpad schlafen. Doch ihr erster Auftrag ist eben Bouldern.
"Gemessen an gewöhnlichen Sportarten kann man Bouldern sicher noch als Randsportart bezeichnen", sagt Florian Beyer. "An den Gesichtern der Leute oder deren Sprüche merkt man schon, dass wir einem Sport nachgehen, der noch ziemlich unbekannt ist."
Bouldern geht auf das englischen Wort boulder, deutsch Felsblock, zurück. Die Kletter-Variante hat sich in den letzten Jahren zu einer eigenständigen, vor allem bei jungen Leuten immer beliebter werdenden Disziplin entwickelt. "Die Szene wächst, und Boulder-Hallen sprießen wie Blumen aus dem Boden", weiß Tino Kluge, der zur regionalen Leistungsspitze gehört. Zumal es nicht nur um das bloße Klettern geht, sondern auch um Bewegungskreativität. Tatsächlich gleichen die akrobatischen Bewegungen oft einer Turnübung. Eine bekannte Figur ist die "Flagge", bei der ein Kletterer quasi waagrecht am Kletterobjekt hängt.
Bouldern ist auch in Halle und Umgebung zur Trendsportart geworden. Die Szene, so erzählen die Sportler, sei in der Region extrem durchmischt. Tino Kluge drückt es so aus: "Vom Hausmeister bis zum HNO-Arzt ist alles dabei, aber beim Bouldern sind wir alle auf der gleichen Ebene." Feste Trainingszeiten gibt es nicht. Die Aktiven verabreden sich per Internet oder Telefon.
Klettern in rechtlicher Grauzone
Da Bouldern keine großen Höhen kennt, benötigt es auch keine aufwändige Infrastruktur. "Außer ein paar Kletterschuhen", sagt Tino Kluge, "braucht man im Grunde nur Spaß an der Bewegung, Körpergefühl und eine ordentliche Portion Willen." Ein Tick Oberarmkraft kann auch nicht schaden.
Theoretisch kann in und um Halle fast überall gebouldert werden. Bekannte Treffpunkte sind am Galgenberg, im Löbejüner Aktienbruch oder an der Steinernen Jungfrau in Dölau. Beliebt ist auch das sogenannte Buildering (von englisch building, Gebäude), also das Klettern an Mauern oder Brücken in der Stadt. Die Aktiven wollen das als kreativen Umgang mit urbanen Gegebenheiten verstanden wissen. Schließlich, so erklärt Tino Kluge, klettere man nicht in die Höhe und mache auch nichts kaputt. Doch rechtlich ist dies durchaus eine Grauzone. Derartige Aktionen, so erklärt die Stadt, seien genehmigungspflichtig.
Vielleicht sind solche Aktionen im Grenzbereich aber auch einfach ein letztes Überbleibsel der Vergangenheit. Früher galten Kletterer als Abenteurer oder Aussteiger. Das seilfreie Klettern an Blöcken war dabei aber nicht mehr als eine Trainingsform. Heute ist das anders. Bouldern hat sich zu einer Trendsportart entwickelt. Es geht darum, "schwere Probleme zu lösen", wie Tino Kluge es formuliert. Sein Ehrgeiz sei es, der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen. Die, so scheint es, existiert gar nicht, wenn sich die Kletterer an kleinsten Leisten im Überhang festhalten. "Kurz und heftig" geht es zu beim Bouldern, sagt Kluge. "Bei der Leichtathletik ist es der 100-Meter-Sprint und beim Bergsteigen eben das Bouldern."
Wettkämpfe werden beliebter
Und wie die Leichtathletik wird auch der Kletter-Trend vermehrt in Wettkämpfen betrieben. Vereine wie die IG Klettern Halle-Löbejün denken deshalb an eine Erweiterung. "In diesem Jahr soll zusätzlich ein frei zugänglicher Boulder-Pilz entstehen, um den gestiegenen Bedarf abzudecken", erläutert Christiane Hupe, Geschäftsführerin der IG. Den muss man sich wie eine kleines Häuschen vorstellen, an dessen vier Wänden geklettert werden kann. Geplant ist auch, den mittlerweile jährlich stattfindenden Boulder-Cup "Halle Rocks", der zuletzt 70 überregionale Teilnehmer in den Steinbruch von Löbejün zog, durchzuführen.