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Bilder vom Krieg Bilder vom Krieg: Hallescher Fotograf Knut Mueller berichtet von gefährlichen Schauplätzen

Von Andreas Montag 18.02.2019, 09:00
1993: Ausgebrannte Kameras zweier bosnischer Fotoreporter, die in Sarajevo getötet wurden.
1993: Ausgebrannte Kameras zweier bosnischer Fotoreporter, die in Sarajevo getötet wurden. Knut Mueller

Halle (Saale) - Bloß raus, fort aus der DDR und „ein großes Rad drehen“, sagt der Hallenser Knut Mueller. Das war sein Plan, auch wenn er zunächst nicht wusste, wie er den verwirklichen sollte. Er hat es geschafft, ungeachtet des Risikos, das er damit auch einging.

„Ich dachte immer, mir passiert nichts“, lautet sein nüchterner Kommentar. Aber drei Männer, die er gut kannte, sind gestorben. Einer davon, der sich ihm als landeskundiger Führer angeboten hatte, wurde Ende Dezember 1889 inTimișoara, Rumänien, von einem Scharfschützen getötet. Und Mueller fragt sich seitdem, ob der Mann noch leben würde, hätte er ihn, den Kriegsfotografen, nicht getroffen.

Fünfkampf an Kinder- und Jugendsportschule in Halle trainiert

Der Hüne vom Jahrgang 1952 besaß jedenfalls die richtige Statur für den Job. An der Kinder- und Jugendsportschule in Halle hatte er Modernen Fünfkampf trainiert, bis den DDR-Oberen dieser anspruchsvolle Sport zu teuer wurde. Immerhin, die Lust am Fechten ist geblieben - Mueller betreibt es heute noch aktiv.

Studiert hat er an Halles Kunsthochschule, der Burg Giebichenstein. Eigentlich als Gebrauchsgrafiker ausgebildet, zog es ihn zur Fotografie. Als Mitglied des Künstlerverbandes durfte er dann reisen, jedenfalls in den befreundeten Ostblock, in die Sowjetunion. Seine Bilder von dort, in einer halleschen Klinik ausgestellt, riefen Misstrauen bei den Staatshütern hervor. Zu viel Realismus, gar keine Propaganda.

1984 hatte Mueller die Nase voll, er beantragte die Ausreise. Sein Vater, der Architekt und Ingenieur Herbert Müller, war in der DDR (und anderswo) ein gefragter Mann - „Schalen-Müller“ gilt wegen seiner eigenwillig gewölbten Betonformen als moderner Klassiker im Städtebau. Knut Mueller, sein Sohn, wollte seine eigene Chance suchen. 1986 ließen ihn die Behörden gehen.

West-Karriere startete mit mit Sturz Ceaușescus in Rumänien

Die große Gelegenheit für das „Greenhorn“ in Sachen West-Karriere kam nach einem Auftrag für ein Kunstmagazin, der ihn immerhin bekannt gemacht hatte, am 23. Dezember 1989. In Rumänien war der Diktator Nicolae Ceaușescu gestürzt worden, es entstanden Unruhen und Bürgerkrieg zwischen den Mächten des alten Systems und demokratischen Kräften. Da meldete sich die Redaktion des Magazins Stern: Ob Mueller dorthin fahren könne und wolle? Und ob!

Es schloss sich eine jahrelange Karriere als Kriegsfotograf an, er hat die blutigen Umbrüche auf dem Balkan mit der Kamera dokumentiert, von Rumänien ging es unter anderem nach Albanien, Bosnien und ins Kosovo. Auch in Afghanistan ist Mueller gewesen und hat festgehalten, was er sah.

Jetzt, auch der Liebe wegen, zurück in Halle, wo er gern lebt, ist Mueller als fotografischer Begleiter für junge Leute unterwegs, die KZ-Gedenkstätten besuchen. Dazu arbeitet er seine Kriegsbilder künstlerisch auf und versucht auf diese Weise, sich dem Grauen noch einmal neu zu stellen.

Seit fünf Jahren ist er auch als Autor tätig und hat mehrere Bücher publiziert. Ein neues, sehr persönliches, ist fertig und wartet noch auf die Veröffentlichung. In autobiografisch-dokumentarisch geprägter Prosa erzählt er von seinem Leben als Fotoreporter an Kriegsschauplätzen.

Gescheiterte Flucht

Die Texte stehen in einem Rahmen: Eingangs erzählt Mueller von einem frühen, gescheiterten Fluchtversuch, am Ende steht der Bericht über einen (seinen) Vater, der hier Egbert heißt - eine atemberaubende Geschichte.

„Egbert, der Flieger“ (so der Titel) erzählt von der „Beichte“ des Alten, der kurz vor seinem Tod mit seinen Söhnen nach New York fliegt, um ihnen dort zu sagen, was er zu Hause nicht sagen kann: Frustrierte deutsche Luftwaffenoffiziere schießen Ende 1944 erst auf ein Hitlerbild, dann tötet Egbert einen aus der Gruppe - den Verräter, der das „Attentat“ auf den „Führer“ melden und damit alle ans Messer liefern will.

Das Thema Krieg, so scheint es, lässt Knut Mueller nicht los. (mz)

1992: Kindersoldaten der Kadettenanstalt Skanderbek exerzieren in Tirana.
1992: Kindersoldaten der Kadettenanstalt Skanderbek exerzieren in Tirana.
Knut Mueller