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Beach Boys in Halle Beach Boys in Halle: "California Dreaming" vor der Freilichtbühne

Von Mathias Schulze 20.07.2019, 13:15
Die kalifornische Band „The Beach Boys“ mit Mike Love und Bruce Johnson auf der Peißnitzbühne in Halle.
Die kalifornische Band „The Beach Boys“ mit Mike Love und Bruce Johnson auf der Peißnitzbühne in Halle. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Kreischende junge Frauen, Bilder aus der Vergangenheit. Ekstatische Massenkonzerte, die Wellen und das Meer, starke Männer und schnelle Karren. Die Bilder, die die Leinwand am Freitagabend, kurz vor dem Auftreten der Beach Boys, in die bestuhlten Reihen der halleschen Freilichtbühne sendet, sind schnell erfasst.

Surfbretter stehen neben der Bühne, kleine Palmen umringen die Instrumente. Gleich wird nicht nur ein hedonistisches Lebensgefühl und die alle verbindende Sehnsucht nach ewiger Jugend und Schönheit, sondern auch das amerikanische Freiheitsbestreben gefeiert. Kalifornien als jene Heimat, in der Milch und Honig und Sonnencreme fließen. Die Beach Boys und der Mythos, das kalifornische Touristen-Marketing sollte dankbar sein. Tatsächlich sind die leicht bekleidete Strandschönheiten, die auf der vor Ort stehenden Bowlebar zu sehen sind, in genau jene Ästhetik getaucht, die auch zweieinhalb Stunden von der Leinwand flattert. Eine faszinierende Symbiose.

Die kalifornische Band „The Beach Boys“ gastiert am Freitagabend mit Mike Love und Bruce Johnson auf der Peißnitzbühne in Halle.

Kurz nach 19.30 Uhr ist es dann soweit, der 78-jährige Mike Love kommt mit Schirmmütze, unter dem blauen Hawaii-Hemd baumelt eine goldene Kette, große Ringe zieren die Finger. Ein paar Schritte, ein paar nach oben geregte Daumen. Bruce Johnston positioniert sich stehend vor dem Keyboard. Mehrstimmiger Gesang, eingängige Melodien, sonnige Aussichten.

Reiner Haseloff besucht Konzert der Beach Boys

Die Falsett-Töne sitzen, die Band mit Jeffrey Foskett, Tim Bonhomme und John Cowsill wird mit Keith Hubacher, Christian Love und Scott Totten abgerundet. Famos wird der nötige Druck in den auch mal dudelnden Surf-Rock gebracht, der seinen Platz im weltweiten kulturellen Gedächtnisses sicher hat: „I get around / Wah-wah-ooh.“ Seit 1961 sind die Beach Boys unterwegs. Heute, einige Gerichtsprozesse und Tode später, ist von der ursprünglichen Besetzung nur noch Mike Love dabei. Brian Wilson darf aber in den Erinnerungsbildern, die über die Leinwand wehen, präsent bleiben.

Das vornehmlich ältere Publikum, darunter auch der Lederjacke tragende Reiner Haseloff, der Minsterpräsident Sachsen-Anhalts, signalisiert Euphoriebereitschaft. Da wird textsicher mitgesungen und in Erinnerungen geschwelgt, die wohl weniger mit den LSD-Farbspielen auf der Leinwand, als vielmehr mit den bunten Verheißungen des damaligen Klassenfeindes zu tun haben. Man covert The Ramones und The Mamas and the Papas: „California Dreaming / On such a Winters day“.

Es entwickelt sich ein Konzert, das vor allem durch die gierigen Lust des Publikums einen Charakter bekommt. Das Problem ist nicht, dass das Erinnern an George Harrison mit einem schnulzig durchhängenden „Here Comes The Sun“ geschieht.

Beach Boys planen Klassiker wie „Kokomo“, „California Girls“, „Good Vibrations“

Das Problem ist nicht, dass Klassiker wie „Kokomo“, „California Girls“, „Good Vibrations“, oder „Surfin‘ USA“ ihre Ohrwurm- und Hüftbewegungswucht verloren haben. Das Problem ist immer gleiche Oberfläche. Für die Werbeeinblendungen, die das neue Album von Mike Love preisen, wurde der Begriff Penetranz erfunden. Auch scheinen die über 70-jährigen Johnston und Love sich nicht substanziell für das Grau in den Schläfen, für das uns alle bezwingende Schicksal der Endlichkeit, zu interessieren. Da müssen vereinzelte Scherzen reichen.

Dabei stößt der amerikanische Freiheitsdrang, symbolisiert durch Surfbretter und Autos, nicht nur auf die begrenzten Ressourcen des Einzelnen, sondern auch auf die unseres Planeten. Statt die Illusion einer ewigen Kraft mit dem Charme einer unzeitgemäßen künstlerischen Entrückungen zu feiern, laufen die hungrigen und unverwüstlichen Songs in einer professionellen Dauerschlaufe, die ein Lebensgefühl eher als Behauptung in den Abendhimmel musiziert.

Wenn die Herzen verständlicherweise nicht mehr jene Melodien singen, die die Münder vortragen, könnten sich ja auch die Münder ändern. Und „Fun, Fun, Fun“ ist doch auch mehr, als nur die immergleichen Klischeebilder, die von der Leinwand prasseln. Von der dortigen Imagination einer großen Beach Boys-Familie ganz zu schweigen.

Viele der gut 2900 Besucher sind begeistert, draußen sind die Wiesen rappelvoll. Diejenigen, die beoachtend auf ihren Stühlen bleiben, könnten sich fragen, warum die heutigen Beach Boys nicht ein wenig Zwischentöne zeigen, denn schließlich ist die Vorstellung eines ewigen Sommers doch süß und schwer zugleich. (mz)