Basketball Basketball: Viele Sorgen und zwei Glücksgriffe
Halle (Saale)/MZ. - Die Aufstellung sitzt. Sie ist geübt. Und sie ist inzwischen so etwas wie Tradition. Wenn sich die Basketballerinnen der Lions zum Training postieren und die Ansprache von Trainer Martin Dornhoff erwarten, ist die Formation immer dieselbe. Der Grund: Dornhoff spricht Deutsch mit seinem Team. Die heimischen Spielerinnen übernehmen deshalb für die amerikanischen Profis die Übersetzung. Und damit das funktioniert, stellen sie sich immer identisch auf.
Die Szenerie mag im ersten Moment durchaus als Anachronismus anmuten. Englisch ist im Basketball eigentlich verankerte Amtssprache. Dornhoff hat aber einen guten Grund, darauf zu verzichten. "Ich kann durchaus Englisch." Aber, so fürchtet er, vielleicht etwas zu holprig. "Und ich glaube, dass eine Ansprache an das Team sitzen muss." Ansonsten leide die Glaubwürdigkeit als Trainer.Man darf unterstellen, dass Dornhoff mit seiner Theorie nicht ganz falsch liegt. Er hat die Lions nach dem ersten Spieltag als Tabellenletzter der Basketball-Bundesliga übernommen und bis zur Winterpause in relativ sichere Gewässer geführt. "Wir haben Anschluss an das Mittelfeld hergestellt", sagt er. Das Jahr 2011 endete also befriedigend. Oder noch treffender: befriedigt. Denn hinter dem Verein liegen schwierige Monate. Sportlich und strukturell.
Umfeld neu organisiert
Ausgangspunkt vieler Probleme war die Neu-Organisation des Umfeldes. Die Lions entschieden früh im Jahr, sich von ihrer Vermarktungsagentur HSM zu trennen, über die alle Verträge mit Trainern und Spielerinnen abgewickelt wurden. Für den Schritt sprachen gute Argumente. Ein Insider sagt: "Im Grunde hat die HSM nur das Geld verwaltet, das Cornelia Demuth als Managerin rangeschafft hat." Doch das widersprach nicht nur dem Sinn einer solchen Agentur. Es war auch wenig zufriedenstellend für ein Team, das stets mit einem der kleinsten Etats der Liga kämpft.
Was der Trennungsentscheidung folgte, war aber mitunter chaotisch. Über Monate fehlte dem Verein der Unterbau. Ein Trägerverein existierte zwar, die nötige GmbH zur Organisation des Spielbetriebs aber blieb Monate lang handlungsunfähig. Hinzu kam der schwelende Streit mit Trainer Peter Kort-mann. Kurz gefasst: Kortmann wollte einen Zweijahres-Vertrag, die Lions boten aber nur einen Einjahres-Kontrakt.
Am Ende stand die Trennung - Ruhe aber zog damit nicht ein. Denn was folgte, lässt sich wohl am ehesten zusammenfassen unter dem Motto: "Ein Fehlgriff und zwei Glücksgriffe."
Der Pole Jaroslaw Zyskowski übernahm das Traineramt. Ein liebenswerter Zwei-Meter-Hüne und "ein ausgewiesener Basketball-Fachmann", wie Martin Dornhoff auch heute noch betont. Doch die Amtsführung wirkte mehr als hilflos. Weil es mit dem Englisch mächtig haperte, wurden Übungen im Training gern mal anhand von Abbildungen in Büchern erklärt. Das böse Erwachen kam am ersten Spieltag: eine 23-Punkte-Klatsche gegen Meister Wasserburg. Letzter Platz in der Tabelle. "Ich war in der Halle", erinnert sich Dornhoff. "Da waren sich alle einig, dass sie den ersten Absteiger gesehen haben."
Die Lions reagierten: Zyskowski musste nach dem ersten Spieltag gehen. Ungewöhnlich, aber die richtige Entscheidung. Und: Dem Fehl- folgte der Glücksgriff - Martin Dornhoff übernahm.
Gut möglich, dass Dornhoffs Verzicht auf die englische Sprache im Training auch Resultat der Zyskowski-Erfahrung ist. Dieses Nicht-Englisch-Sprechen aber mit fehlender Weltgewandtheit zu verwechseln, wäre völlig falsch. Dornhoff, 67 Jahre alt, hat über ein Jahrzehnt im Ausland gearbeitet, vor allem in Nordafrika. Er bildet an der Hochschule in Leipzig ausländische Trainer aus, hält dabei Vorlesungen auf Französisch. Mehr internationale Erfahrung geht nicht.
Dornhoff krempelte die Lions taktisch um. Er machte das Spiel schneller, vor allem aber nahm er die Nachwuchsspielerinnen in die Pflicht. "Ich kannte die Mädchen ja alle. Ich habe mit den Spielerinnen in der Jugend alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Aber ich war erschüttert über ihren Zustand." Körperlich nicht austrainiert und - auch wenn Dornhoff es milder formuliert - mit der Überzeugung gesegnet, besser zu sein, als sie wirklich sind.
Ein Königstransfer
Was jahrzehntelange Erfahrung als Trainer ausmacht, unterstrich Dornhoff aber vor allem neben dem Feld. Als Spielmacherin Alissa Pierce wegen eines Überbeins am Fuß den Vertrag auflösen musste, machte er sich auf die Suche nach Ersatz. "Das funktioniert heute ja alles per Internet." Also sichtete er Videos, was immer die Gefahr in sich birgt, die Katze im Sack zu kaufen. Dornhoff fand Angela Tisdale. Und nach einem konfusen Jahr, kam in diesem Fall alles Glück der Welt zusammen.
Die Amerikanerin war nach Jahren als herausragend bezahlter Profi in Europa schon in ihre Heimat zurückgekehrt. "Weil es ihr eigentliches Ziel ist, in den USA Kriminalistik zu studieren", sagt Dornhoff. Da es aber mit dem Studienplatz nicht klappte, nahm sie das Angebot der Lions an, obwohl weit schlechter bezahlt als gewohnt. Glücksgriff Nummer zwei.
Mit Tisdale zog der Erfolg ein. "Sie ist eine ganz wichtige Spielerin für uns geworden", sagt Dornhoff. Er bezeichnet die Amerikanerin als seinen verlängerten Arm auf dem Feld und erzählt, dass manchmal ein Augenzwinkern reicht, um mit seiner Spielmacherin auf dem Feld zu kommunizieren. Sprache ist eben nicht alles.
Mit zwei Glücksgriffen haben die Lions das Ruder zum Jahresende 2011 rumgerissen. Doch genau daraus ergibt sich auch die größte Sorge für das kommende Jahr. Tisdale zu halten, ist unrealistisch - finanziell, aber auch angesichts ihrer persönlichen Ziele. Und auch Dornhoff sieht sich nur als Trainer bis Saisonende. "Die Tendenz, dann aufzuhören, ist ganz klar da."