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Ballsport Ballsport: «Bei Saturn ist Herd-Schlussverkauf»

Von THOMAS LIERSCH 31.03.2011, 18:37

Halle (Saale)/MZ. - Dumme Sprüche hat Susan Säumel einige zu hören bekommen. Dieser eine aber ist der 23-Jährigen besonders in Erinnerung geblieben. Es war ein Gegenspieler, der sie während eines Basketball-Spiels sarkastisch wissen ließ: "Hey, bei Saturn ist heute Herdschlussverkauf."

Susan Säumel verkörpert das nötige Selbstbewusstsein, um über solch kleinen Gemeinheiten zu stehen. "Solche Sprüche prallen an mir ab", sagt sie. Doch natürlich weiß sie, dass sie als Frau in einer Männerdomäne zwangsläufig polarisiert. Denn sie spielt für den SV Halle in der Bezirksliga Süd. Wohlbemerkt: für die Männermannschaft des SV Halle.

Die Idee dazu entstand aus einer Laune heraus, als sie nach einem Spiel mit Freunden beim Bierchen zusammensaß. Säumel hatte zuvor in der Frauen-Mannschaft der Lions in der ersten und zweiten Bundesliga gespielt. Sie suchte eine neue Herausforderung. Die hat sie bei den Männern gefunden. Und zwar in vielerlei Hinsicht.

Körperlich, das weiß sie, ist sie den Gegnern meist unterlegen. In Eins-Eins-Situationen "pralle ich manchmal einfach ab", sagt sie. Und auch an sie selbst stellt das Spiel unter Männern Anforderungen. Sich nicht als Paradiesvogel zu fühlen, wenn der Gegner sie verwundert als Frau identifiziert. Oder auch eine Duschmöglichkeit nach dem Spiel zu finden. Nicht immer sind separate Umkleideräume vorhanden. Manche Vereine kümmern sich darum, andere nicht.

Susan Säumel nimmt das alles locker: "Notfalls beeilen sich halt die Jungs, und ich bin die Letzte. Oder ich dusche einfach zu Hause." Stinkig wird sie deshalb jedenfalls nicht.

Zumindest das Dusch-Problem hat Ines Seidler nicht. Die 47-Jährige ist bereits in der sechsten Saison Trainerin der Handballer des HSV Naumburg Stößen. Männer zu trainieren, findet sie nicht speziell - im Gegenteil: "Es ist etwas einfacher, Männer zu handhaben. Man sagt, was man denkt." Bei Frauen müsse man sich mehr mit den Persönlichkeiten der Spielerinnen beschäftigen.

Trotzdem musste auch Seidler, die für Halloren Halle in der Bundesliga gespielt hat, in der Anfangsphase kämpfen. "Als Frau hat man keinen Bonus", sagt sie. Den musste sie sich erarbeiten. Sie hat ihre Mannschaft aus der Verbandsliga bis in die dritte Liga geführt. Dort war sie eine Exotin, kein anderer Drittligist deutschlandweit setzte damals auf eine Frau als Trainerin. Zurzeit ist das Team abstiegsbedroht in der viertklassigen Oberliga. Auch der größte Erfolg der Vereinsgeschichte gelang unter ihrer Regie: der Gewinn des Landespokals im Jahre 2008.

Als sie diesen Trainerjob antrat, habe das Abtasten mit der Mannschaft vielleicht ein paar Wochen länger gedauert, als es bei einem männlichen Trainer der Fall gewesen wäre. Das Team aber hat ihr eine Chance gegeben und sie akzeptiert. Ihr Erfolgsrezept: "Man muss selbstbewusst auftreten."

Das Auftreten ist auch für Melanie Göbel wichtig. Die 28-Jährige muss Autorität vermitteln, wenn sie Fußballspiele in der Landesliga der Männer pfeift. Und dafür hat sie sich einige Tricks zurechtgelegt. Beispiel: Zeigt die 1,70 Meter große Frau einem Spieler eine Karte, hält sie den Arm senkrecht nach oben und achtet darauf, etwas Abstand zu halten. Auf diese Weise, sagt sie, falle der Größenunterschied weniger auf. Auch in der Ansprache hat sie ihre Taktik: Möchte sie einen Spieler heranzitieren, ruft sie nicht, sondern benutzt ihre Pfeife. So vermeidet sie, dass ihre helle Stimme überhört wird.

Gerade als Frau muss die Schiedsrichterin beweisen, dass sie läuferisch fit ist und immer auf Ballhöhe bleiben kann. "Die Männerspiele machen mir mehr Spaß, weil ich mehr gefordert werde", sagt die studierte Sozialpädagogin. Und sie ist auch überzeugt von besonderen Qualitäten der Schiedsrichterinnen - etwa von der Fähigkeit zu schlichten: Es sei ruhiger, wenn eine Frau dabei ist.

Dass auch sie anfangs um Anerkennung kämpfen musste, liegt auf der Hand. Fußball-Plätze sind Macho-Hochburgen. Und wenn es um dumme Sprüche geht, die sie zu hören bekommen hat, kann Melanie Göbel munter erzählen. Da sagt schon mal ein Spieler nach einem Foul: "Mäuschen, haste jetzt nicht gesehen." Oft gehört auch Rufe von den Zuschauern: "Geh in die Küche, wo du hingehörst!"

Melanie Göbel gibt zu, dass sie den Umgang mit solchen Sprüchen erst lernen musste. "Früher war ich eher ruhig und zurückgezogen, ein Mäuschen. Heute bin ich selbstbewusster", sagt sie. Auch deshalb bedauert sie, dass es so wenig Schiedsrichterinnen gibt.

Von einer Frauen-Quote im Sport oder anderswo halten übrigens alle drei Amazonen wenig. Sie sind überzeugt: Frauen können sich mit Leistung auch in Männerdomänen durchsetzen.