Bäckerei aus Rothenburg Bäckerei aus Rothenburg: Brot und Kuchen seit 1799

Wettin-Löbejün - Es riecht nach frischem Brot. Und die ersten Vanillekipferln der Saison backen gerade im Ofen. In der Backstube von Gerhild Fischer in Rothenburg kann man guten Gewissens auch mal naschen: Alles ist Bio. „Ich kam mit den alten Rezepten und den Mehlen mit Zusätzen nicht mehr zurecht“, erklärt die 50-Jährige, warum sie seit 2006 ihr komplettes Angebot auf Bioprodukte umgestellt hat. Mit den ökologisch angebauten Mehlen zaubert sie ungewöhnliche Kreationen wie ein Honig-Lavendelbrot, Rüblibrötchen oder Dinkel-Cookies. „Ich bin damit offene Türen eingerannt“, freut sich die Bäckermeisterin, die nach ihren eigenen Recherchen die Bäckertradition ihrer Familie praktisch nahtlos seit 1799 fortführt.
Und das quasi noch beidseitig: Während die väterliche Linie erstmals 1799 in Buttstädt bei Apolda eine Bäckerei gegründet hat, ist Gerhild Fischer auch mütterlicherseits nun schon in der vierten Generation Bäckerin. Die Ahnentafeln der Familie sind also prall gefüllt mit Bäckermeistern. Aber das hatte auch seine Tücken: „Der Erstgeborene hat immer die Backstube geerbt. Aber kurioserweise haben auch die Zweitgeborenen immer eine neue Bäckerei gegründet oder sich in eine solche eingeheiratet“, weiß Gerhild Fischer zu erzählen. So auch ihr eigener Vater, der ebenfalls einer der Zweitgeborenen war und im nahe gelegenen Neutz die Frau fürs Leben gefunden hatte - freilich mit Backstube.
1951 übernahmen die Eltern die Bäckerei Ackermann in Rothenburg - übrigens auch schon 1857 gegründet - in der Gerhild Fischer zusammen mit ihrem Mann Stefan heute noch arbeitet. Das hätte aber überhaupt nicht so kommen müssen, denn die Geschichte des Ehepaars ist die: Als sich die beiden Anfang der 80er Jahre bei einer Jugendreise in Leningrad kennenlernten, funkte es schnell zwischen dem gelernten Tischler und der angehenden Konditorin, die damals noch Ehrhardt mit Nachnamen hieß. Beide waren nicht so ganz zufrieden mit ihrer Berufswahl. „Ich wusste damals schon, dass ich nicht mein Leben lang Torten machen will“, erinnert sich Gerhild Fischer. Und ihr Mann, der sollte eigentlich zur Meisterschule und den Tischlerbetrieb des Vaters übernehmen. „Aber eigentlich wollte ich damals lieber Koch werden“, sagt Stefan Fischer.
In welchen spannenden alten Unterlagen Gerhild Fischer blättert, lesen sie auf Seite 2.
Das frischgebackene Ehepaar wurde vor die Entscheidung gestellt: Tischlerei oder Bäckerei. Stefan Fischer entschied sich für eine Umschulung zum Bäcker und Gerhild Fischer ließ sich zum Bäcker nachschulen und hängte die Meisterschule noch dran. 1986, mit 22 Jahren, übernahm sie das Geschäft des Vaters und wurde ihr eigener Chef.
In der Traditionsfamilie gibt es spannende alte Unterlagen, in denen Gerhild Fischer gerne blättert. Unglaublich, aber wahr: Selbst die Lehrbescheinigung von Uropa Rudolph ist erhalten, der von 1877 bis 1879 in Eisleben das Bäckerhandwerk erlernt hat. „Er hat sich immer zur Zufriedenheit betragen“, bescheinigte ihm der Lehrmeister.
Erst vor kurzem hat sie ein handgeschriebenes Rezeptbuch ihres Opas, vielleicht auch ihres Uropas gefunden: Kirschsorbet, Pücklertorte, Stollen und Magdeburger Spitzkuchen sind darin beschrieben. Leider in Sütterlinschrift - die Übersetzung soll ihr nun ihre Mutter erledigen.
Auch wenn die Technik - vor allem der moderne Gasbackofen mit vier Ebenen - heute in der Backstube Fischer auf dem neuesten Stand ist, so ist der Beruf nicht weniger arbeitsintensiv und zeitaufwendig als früher. „Mein Mann steht jeden tag um Viertel vor zwei auf, ich eine Stunde später“, schildert Gerhild Fischer ihren Alltag. Denn damit die Bioläden in Halle pünktlich zur Öffnung die Brote aus Rothenburg geliefert bekommen, muss die Bäckermeisterin um sieben Uhr alles ins Auto packen und losfahren. Rund 150 Brote fährt sie jeden Tag aus. Seit Jahren hat sie auch einen Stand beim monatlichen Bio-Abendmarkt in Halle.
Wer die Familientradition fortsetzen wird, lesen sie auf Seite 3.
„Am meisten Spaß hat es mir jedoch gemacht, die Idee des Franckebrotes umzusetzen“, schwärmt die experimentierfreudige Bäckerin. Den historischen Backofen der Franckeschen Stiftungen wirft sie seit drei Jahren zum Lindenblütenfest und anderen Anlässen an, um so ein Brot wie ihre Vorfahren auf der Holzglut zu backen.
Dass ihre Tochter Claudia die jahrhundertealte Tradition der Familie fortsetzt, das steht jetzt schon fest: Die 29-Jährige ist Bäckermeisterin. Und sogar in Rothenburg, allerdings das „ob der Tauber“ in Franken. Ob sie dort ihre gute Position in einem renommierten Betrieb aufgibt, um später einmal zurück in den Saalekreis zu kommen, ist jedoch noch offen. (mz)



