Bäcker Rost in Halle Bäcker Rost in Halle: Bäckerei schließt nach 104 Jahren

Halle (Saale) - Hans-Joachim Rost weiß nicht so recht, wie er sich fühlen soll. Zum 1. März wird er seine Bäckerei für immer schließen - jene Bäckerei, die sein Großvater im Oktober 1910 eröffnet hatte. „Momentan freue ich mich auf die Ruhe. Aber wer weiß, wie es in mir aussieht, wenn der letzte Tag dann gekommen ist“, sagt der 67-Jährige.
Rost ist nicht der einzige hallesche Traditionsbäcker, der sein Geschäft aufgeben muss. In der alten Backstube von Willi Pohl in der Dölauer Straße wird ebenfalls kein Brot mehr hergestellt. Woran liegt es, dass alteingesessene Bäckereien schließen müssen? „In unserem Fall ist es eine Frage der Mitarbeiter“, sagt Rost.
Suche nach Arbeitskräften
Sein Unternehmen hat momentan noch zwei Filialen - eine in der Otto-Kilian-Straße und eine in der Beesener Straße - sowie neun Angestellte. Mehr als ein Jahr hat er versucht, neue Fachkräfte für die Backstube zu finden - ohne Erfolg. „Wir hätten mindestens einen Bäcker und einen Konditor gebraucht“, erzählt der 67-Jährige. Ab und zu seien Bewerber vorbeigekommen und dann nach ein paar Tagen einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen. „Es war mir dann schlicht zu blöd, schon wieder beim Arbeitsamt anzurufen und nach Ersatz zu fragen.“
Ende eines Familienunternehmens
Rost hat mit seiner Frau Ursula vier Kinder. Von den drei Töchtern studiert eine Jura, eine ist Lehrerin geworden, die dritte arbeitet als Verkäuferin in der Bäckerei. Der Sohn ist zwar Bäcker, möchte den Betrieb aber nicht übernehmen. „Wir haben oft abends zusammengesessen und überlegt, wie es weitergehen soll“, erzählt Rost. „Irgendwann haben wir uns dann gesagt: Es wird Zeit, Schluss zu machen.“ Schließlich gehe er auf die 70 zu und könne nicht ewig arbeiten. „Es reicht, wenn man bis kurz vorm Umfallen arbeitet. Man muss nicht wirklich umfallen.“
Rost holt ein Fotoalbum hervor. Es zeigt über 100 Jahre Bäcker-Geschichte in Halle, angefangen mit Arthur Rost, Hans-Joachims Großvater. Der eröffnete 1910 die Bäckerei in der Otto-Kilian-Straße 60. Der Stammsitz befindet sich noch heute dort.
Wie kam es zur Übernahme der Familienbäckerei und was macht Hans-Joachim Rost nach der Schließung? Erfahren Sie mehr auf Seite zwei!
Hans-Joachim Rost backt seit 1978
Hans-Joachim Rost zeigt auf Bilder des alten Dampfbackofens, der von 1928 bis 1982 in Betrieb war. „Dieses Ding brauchte fünf Tonnen Briketts im Monat“, erinnert er sich. Im Jahr 1945 übernahm Hans-Joachims Vater Herbert Rost die Bäckerei. Er war Soldat im Zweiten Weltkrieg gewesen. „Er wurde auch verletzt, es war aber nur ein Streifschuss. Glücklicherweise kam er wieder nach Hause“, erzählt der 67-Jährige die Geschichte seines Vaters. Dass sein Sohn einmal die Geschäfte übernehmen sollte, stand für Herbert Rost fest. Dabei wollte Hans-Joachim gar nicht Bäcker werden. „Aber damals wurde über diese Fragen nicht lange diskutiert. Also habe ich das Geschäft übernommen“, erinnert sich der 67-Jährige. Das war im Jahr 1978.
Kein Weg führt an Schließung vorbei
In den folgenden Jahrzehnten lenkte Hans-Joachim Rost zusammen mit seiner Frau Ursula die Geschicke des Unternehmens. Seine Schwester Gerlinde half ab und zu als Konditorin aus. Rost erinnert sich noch genau an den Umbau des Geschäfts im Jahr 1991. Damals mussten die Backwaren im Hausflur verkauft werden. Und die alte Knetmaschine aus den 30er Jahren ist bis heute im Einsatz. Nun soll das alles vorbei sein, nach 104 Jahren?
Viele Stammkunden seien traurig gewesen, als sie von der Schließung erfuhren, sagt Rost. „Das ehrt uns natürlich, denn es zeigt, dass wir gute Arbeit geleistet haben.“ Trotzdem: An der Schließung führe kein Weg vorbei.
Die freie Zeit nach der Geschäftsauflösung will Hans-Joachim Rost unter anderem nutzen, um ehrenamtlich zu arbeiten. „Außerdem möchte ich nach all den Jahren endlich mal richtig ausschlafen“, erzählt er. Arbeitsbeginn in der Backstube war immer um 1.45 Uhr in der Nacht.
