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Auszeichnung für älteste Turnerin aus Halle Auszeichnung für älteste Turnerin aus Halle: Späte Ehre für Turn-Oma Johanna Quaas

Von Sandy Schmied 02.07.2015, 18:52
In Oklahoma City in den USA wurde die 89-jährige Johanna Quaas in die International Gymnastics Hall of Fame aufgenommen.
In Oklahoma City in den USA wurde die 89-jährige Johanna Quaas in die International Gymnastics Hall of Fame aufgenommen. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Für ihre neueste Balancier-Übung brauchte Johanna Quaas ausnahmsweise weder eine Turnbank noch die vertraute Gymnastikmatte. Stattdessen waren dieses Mal Stöckelschuhe mit Pfennigabsätzen gefragt. Und auch wenn das für die 89-jährige Hallenserin eine vollkommen neue Erfahrung war: „Ich konnte darin trotzdem einwandfrei laufen.“ Dass sie ihre lockere Turnkleidung kürzlich gegen eine feine Abendgarderobe eintauschte, hatte einen ganz besonderen Grund. In Oklahoma City in den USA wurde sie in die International Gymnastics Hall of Fame aufgenommen - und schaffte es als fünfte Frau aus Deutschland und als weltweit erste Seniorensportlerin in die Ruhmeshalle der großen Turner.

Turnen in die Welt getragen

Trubel um ihre Person steckt sie mittlerweile meist locker weg. Denn seit sie vor drei Jahren mit ihren flinken Barren-Übungen als „Turn-Oma“ weltweit für Schlagzeilen sorgte, ist sie es gewohnt, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Zur Auszeichnung, die sie zusammen mit vier weiteren Turnern erhielt, begannen die Nerven aber doch zu flattern: „Eine Kür zu turnen ist jedenfalls viel leichter, als eine Dankesrede zu halten.“ Mit Unterstützung einer Übersetzerin verlief schließlich alles wie erhofft. „Das war mir auch sehr wichtig, schließlich bin ich überglücklich, das Turnen in die Welt zu tragen“, sagt Johanna Quaas, die unter Freunden und beim Sport immer noch das „Hannchen“ ist.

Furore machte die Seniorin erstmals 2012. Damals tauchte im Internet ein Video vom Turnier der Meister in Cottbus auf. Ihre gelenken Turnübungen, die Schnelligkeit und Kraft versetzen Millionen von Menschen ins Staunen. Von da an ging alles ganz schnell. Johanna Quaas wurde von den großen deutschen Medien interviewt, war bei Thomas Gottschalk in der selben Sendung wie Bud Spencer zu sehen und wurde im Herbst 2012 als älteste Turnerin der Welt ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen.

Vom Marktplatz in Halle bis zum Flughafen in Buenos Aires in Argentinien, wo sie in einer TV-Sendung eingeladen war, wurde sie von Fans nach gemeinsamen Fotos gefragt. „Zu Hause in der Familie und bei Freunden spielt das aber zum Glück keine Rolle“, sagt die Seniorin. „Da bin ich ein ganz normaler Mensch und werde eben auch mal angeranzt“.

Doch das ist die Ausnahme. Als sie bei einer Aufzeichnung des britischen Fernsehsenders BBC zu Gast war, hatte sich herumgesprochen, dass selbst die fast gleichaltrige Queen wissen wolle, wie es die zierliche Seniorenturnerin aus Halle geschafft hat, so fit zu bleiben. „Ich gehe alles in Maßen an, auch den Sport,“ sagt Johanna Quaas.

Dieses Jahr musste sie wegen Arthrosebeschwerden auf ihre regelmäßigen Trainingseinheiten verzichten und konnte erst vor wenigen Wochen wieder mit ihren Übungen beginnen. Die Turnerin bleibt trotzdem positiv und bewahrt sich ihre Lebenslust: „Es gibt immer einen Weg, dann mache ich eben weniger und langsamer.“ Dehnübungen beginnt sie schon morgens, mit der Gymnastik beginnt sie manchmal schon im Bett mit leichten Bewegungen und Armestrecken. Außerdem hat sie gelernt, sich gezielt auf ihre Atmung zu konzentrieren. „Ich bekomme dann das Gefühl, dass ich Krankes abatmen kann“. Mit der Ernährung nimmt sie es locker und isst, was ihr schmeckt, denn dünner werden möchte sie jedenfalls nicht.

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So vorgezeichnet war ihr Weg jedoch nicht. Wenn es nach den Vorstellungen ihres Vaters gegangen wäre, hätte sich sein damals noch junges „Hannchen“ zur Sekretärin ausbilden lassen. „Er arbeitete bei der Post und ihm haben die Fräuleins, die dort arbeiteten wohl sehr gefallen“, vermutet Johanna Quaas heute und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie, der quirlige Wirbelwind, als adrette Sekretärin im Büro? Der Gedanke kam ihr schon als Schülerin nicht in den Sinn.

Etwas mit Sport sollte es sein, denn die Begeisterung für das Turnen hatte sich bei ihr schon früh gezeigt, als ihre Familie in der Nähe eines Sportplatzes wohnte und sie dort turnte. Am liebsten wollte sie Sportlehrerin werden. Allerdings gab es noch ein anderes Problem. Sie war damals so schüchtern, dass sie sich nicht vorstellen konnte, vor einer Klasse zu stehen, ohne einen roten Kopf zu bekommen. Abhalten ließ sie sich davon nicht, wurde später Gymnastik- und Sportlehrerin und zog 1953 nach Halle, um zu unterrichten.

Anfänge beim Handball

Zwischendurch pendelte die junge Frau zu ihrer Handball-Mannschaft nach Weißenfels und wurde 1954 DDR-Meisterin, bevor sie sich komplett für das Turnen entschied. „Beim Turnen hat man mir angemerkt, dass ich lange Handball gespielt habe“, erinnert sie sich heute, „ich war immer etwas grober in den Bewegungen und weniger grazil als andere“. Für die ganz große Karriere und Bekanntheit hat es damals aber noch nicht gereicht.

Nach der Geburt ihrer drei Töchter trat sie kürzer. Ihr erstes Kind bekam sie mit 37, ihre jüngste Tochter kurz vor dem 40. Geburtstag. Spät, wie sie heute sagt. Was heute immer selbstverständlicher wird, galt damals noch als außergewöhnlich. Darüber, dass sie sieben Jahre älter als ihr Mann Gerhard ist, wurde früher noch getuschelt. Heute sind beide 50 Jahre verheiratet und der Altersunterschied ist kein Problem mehr. Als die Kinder aus dem Haus waren, begann sie wieder mit dem Turnen und nahm Anfang der 80er Jahre mit 56 Jahren erneut an Wettbewerben teil.

Im November wird Johanna Quaas 90 Jahre alt und hat sich für die nächste Zeit schon mal einiges vorgenommen: Eine Kreuzfahrt in den Süden mit ihren Mann oder einen Fallschirmsprung mit ihrem Bekannten, dem ehemaligen Reckweltmeister Eberhard Gienger. Im Januar wird ihr erstes Urenkelkind geboren. Nur ein Wunsch bleibt für Johanna Quaas noch offen. Gymnastik soll bei Kindern und Jugendlichen mehr gefördert werden. „Es muss nicht jeder Meister werden. Aber Turnen macht Mut, bildet den ganzen Menschen und verlangt Einsatz des kompletten Körpers.“ Sie muss es wissen - nach 80 Jahren Turnen. (mz)

Johanna Quaas beeindruckt mit ihren Übungen auch so manche jüngere Turner.
Johanna Quaas beeindruckt mit ihren Übungen auch so manche jüngere Turner.
Silvio Kison Lizenz
An offiziellen Meisterschaften nimmt die Hallenserin Johanna Quaas nicht mehr teil, turnt aber noch auf Veranstaltungen und trainiert regelmäßig in der Robert-Koch-Sporthalle.
An offiziellen Meisterschaften nimmt die Hallenserin Johanna Quaas nicht mehr teil, turnt aber noch auf Veranstaltungen und trainiert regelmäßig in der Robert-Koch-Sporthalle.
Silvio Kison Lizenz