Aufgewachsen in einem Gutshaus
Krosigk/MZ. - Dem Gutshaus der Familie Otto Nagel - es liegt auf einer kleinen Anhöhe neben dem Bergfried - war es sicher nicht vorher bestimmt, einmal Kinderheim zu werden. Die Nagels wurden nach Kriegsende vertrieben. Doch lange stand das schöne Gutshaus nicht leer. Waisenkinder zogen ein. Die das Heim leitete, war die Kriegswitwe Käte Jacob, sie hatte vier Kinder. Das war im Sommer 1946.
Seitdem hat sich im Haus vieles verändert. "Es wurde mehrmals umgebaut", erzählt Ilona Sanetra. Nach der Wende übernahm die Arbeiterwohlfahrt die Einrichtung in Trägerschaft. Seitdem ist das Heim mit 35 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber im Ort. "Und die Zahl unserer Beschäftigten ist stetig gewachsen. Das hängt mit Umstrukturierungen zusammen", sagt Frau Sanetra.
Umstrukturierung heißt auch Bildung von Wohngruppen. Im Haupthaus, dem ehemaligen Wohnhaus der Nagels, leben nur noch zwölf Kinder. Betreut das Heim derzeit insgesamt 85 Drei- bis Zwanzigjährige, so sind es vor allem die Größeren, die in familienähnlichen Gruppen in kleinen Wohnungen zusammen leben. Alle Häuser - neuerdings auch das einer ehemaligen Gaststätte, die in Konkurs ging, gehören der Awo. Wohngruppen gibt es auch in Teutschenthal, Merbitz, Peißen und Queis. In Krosigk stehen ein idyllisch gelegenes Freibad, Kletterwand und Bolzplatz für die Freizeit zur Verfügung.
Jede Wohngruppe verfügt über eine Küche, Fernseher und Waschmaschine. "Sie bekommen jeden Monat Haushaltsgeld auf ein Konto. Damit müssen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten - von Lebensmitteln über Frisör bis zur Kleidung. Jede Gruppe wird natürlich unterstützt durch Erzieher", erzählt die Chefin. Am Wochenende wird selbst gekocht, Frühstück und Abendessen bereiten die Heimkinder selbst zu. Mit ihrem Taschengeld können sich die Kinder und Jugendlichen kleine Wünsche erfüllen. Viele würden auch ganz ernsthaft sparen - für die jährliche Urlaubsfahrt oder mal "ein großes Stück" wie Fernseher, DVD-PLayer und Ähnliches.
Wenn am 8. Juli der 60 Geburtstag gefeiert wird, werden alle ehemaligen Heimkinder an die Kaffeetafel im schönen Innenhof eingeladen. "Wir werden sie mit selbst gebackenem Kuchen empfangen und ein fröhliches Fest feiern", so Frau Sanetra, die ebenfalls ein Jubiläum begehen kann: Sie ist 2006 seit 35 Jahren im Haus beschäftigt.