1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Tausende sahen Morde im Video: Amoklauf Halle Saale: Videos von Stephan B im Internet für Rechtsextreme Szene

Tausende sahen Morde im Video Amoklauf Halle Saale: Videos von Stephan B im Internet für Rechtsextreme Szene

10.10.2019, 08:03
Der Täter übertrug seine Tat live im Internet.
Der Täter übertrug seine Tat live im Internet. dpa

Halle (Saale) - Der mutmaßliche Täter der Angriffe in Halle wollte nach Experteneinschätzung eine internationale rechte Internet-Subkultur erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt der Extremismusforscher Matthias Quent mit Blick auf ein am Mittwoch verbreitetes Video, das die Tat zeigen soll. „Er spricht Englisch und er greift Verschwörungstheorien auf, zum Beispiel über die angeblich zerstörerische Macht des Judentums. Er äußert sich auch abwertend über Feminismus“, sagte Quent der Deutschen Presse-Agentur. „Das sind Motive der weltweiten radikalen und populistischen Rechten.“

Ein schwerbewaffneter Täter hatte in Halle versucht, in eine Synagoge einzudringen und dort unter Dutzenden Gläubigen ein Blutbad anzurichten. Der mutmaßliche Rechtsextremist Stephan B. aus Benndorf bei Eisleben wollte die Synagoge wohl mit Waffengewalt stürmen, scheiterte jedoch. Der 27-jährige Deutsche soll vor der Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen und mindestens zwei weitere verletzt haben. Er wurde festgenommen.

Experte: Täter von Halle wollte sich mit Video heroisieren

„Das Video folgt der Ästhetik eines Videospiels, auch durch die Ego-Shooter-Perspektive“, sagte Quent. Die Aufnahmen folgen der Perspektive des Täters, immer wieder ragt der Lauf einer Waffe ins Bild. „Der Täter heroisiert sich, seine Opfer will er demütigen.“ Dennoch solle man Erfahrung mit Videospielen als einen möglichen Auslöser nicht überbewerten - sonst müssten solche Taten viel häufiger sein. „Außerdem würde es die politische Motivation aus dem Fokus rücken“, warnte Quent. „Was er äußert, das sind nicht nur Einzelmeinungen eines Spinners. Es ist Ausdruck einer verbreiteten rechtsextremen Ideologie.“

Quent betonte, bei vergleichbaren Taten werde schnell nach mehr Überwachung gerufen. „Aber einer solchen Tat geht vieles voraus, das auch dem sozialen Umfeld auffallen könnte, etwa die Beschaffung von Waffen oder menschenverachtende Äußerungen. Hier braucht es niedrigschwellige Beratungsangebote für Menschen, die sich Gedanken machen, wenn ihnen ein Bekannter oder Verwandter auffällig vorkommt, ohne diese gleich bei Polizei oder Geheimdiensten zu melden“, forderte der Forscher.

Streaming-Plattform: Bekennervideo von Halle sahen rund 2200 Menschen

Das in den sozialen Netzwerken hochgeladene Bekennervideo ist nach Angaben der Streaming-Plattform Twitch von geschätzt 2200 Menschen angesehen worden, bevor es dann nach 30 Minuten gelöscht wurde. Twitch teilte in der Nacht zu Donnerstag weiter via Twitter mit, dass das „entsetzliche Video“ 35 Minuten auch live vom Konto-Eigentümer auf der Plattform gestreamt und in dieser Zeit von fünf Menschen gesehen worden sei. Der Account sei vor etwa zwei Monaten erstellt worden, zuvor sei nur einmal etwas veröffentlicht worden.

Der mutmaßliche Täter soll ein Bekennervideo in den sozialen Netzwerken hochgeladen haben. Das Video dokumentiert allem Anschein nach den Ablauf der Angriffe in Halle aus Sicht des Attentäters. Zu sehen ist, wie offensichtlich in der Innenstadt von Halle geschossen wird. Unter anderem zeigt das Video, wie in einem Döner-Imbiss mehrfach auf einen Mann geschossen wird, der hinter einem Kühlschrank liegt. Die Aufnahmen stammen wohl von einer an einem Helm befestigten Kamera. Bis zum Abend gab es keine Bestätigung der Behörden dafür, dass es sich bei dem Mann im Video um den Attentäter handelt.

Streaming-Plattform untersucht Vorfall

Twitch, eine Plattform mit Sitz in den USA, teilte weiter mit, man untersuche den Vorfall. Gegen Hassinhalte fahre man eine Null-Toleranz-Politik, jeder Gewaltakt werde sehr ernst genommen. Alle Konten, auf denen Inhalte dieser abscheulichen Tat veröffentlicht würden, würden dauerhaft gesperrt. Man sei in Gedanken bei den von der Tat Betroffenen.

Aus dem Internet verschwunden ist das Video allerdings nicht. Nachdem Twitch das Video gelöscht hatte, tauchten schnell immer wieder neue Kopien auf, die sich vor allem über soziale Netzwerke und Messengerdienste verbreiteten.

Das Video der Tat liegt auch der MZ vor. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, es nicht zu zeigen und bitten auch alle Leser, es nicht weiter zu verbreiten.

(mz/dpa)