Altes Thalia in Halle Altes Thalia in Halle: Comeback für ein Theater?

Halle (Saale) - Halles Bühnenkarussell dreht sich wieder - und zwar so heftig wie schon lange nicht mehr. In der Oper hat sich für die spektakuläre Spielzeiteröffnung am Sonntag und für das bevorstehende „Eröffnungsfestival“ bereits der gesamte große Saal in eine so genannte Raumbühne verwandelt, während die freien Theatergruppen, die in den Sommermonaten einmal mehr ein hallesches Kulturvakuum verhindert haben, für die Zeit außerhalb der Freiluft-Saison wieder und weiterhin nach Spielstätten und Bühnen für ihre Auftritte suchen müssen.
Dabei enthält das hallesche Stadtentwicklungskonzept (Isek 2025), dessen Entwurf derzeit in die Phase der abschließenden Beratungen geht, für die hiesigen Off-Theater eine ziemlich hoffnungsvoll stimmende Passage - dergestalt dass das Gebäude des Thalia-Theaters konkret für die Zwecke - sprich Auftritte, Proben und sonstige Nutzung - der Freien ins Auge gefasst wird.
Blick auf den Isek-Erfüllungstermin
Ins Auge gefasst also mit Blick auf den Isek-Erfüllungstermin in nunmehr nur noch neun Jahren! Allerdings scheint sich gerade in besagtem Thalia-Theater (einem Musentempel mit moderner Drehbühne übrigens) das Bühnenkarussell zunächst in eine ziemlich andere Richtung zu drehen.
Denn die ersten freien Projekte, die dort angesiedelt waren, haben das Haus entweder längst verlassen - so „Die Bude“ des einstigen NT-Schauspielers und Regisseurs Jonas Schütte - oder sind gerade beim Sachen-Packen: Der Improvisationstheaterverein „Kaltstart“ samt der Theaterschule Franka Söll, die hier jahrelang tätig waren, ziehen schon zum 1. Dezember einmal um die Ecke, in eine einstige Druckerei im Hinterhaus der Geiststraße 22.
Festival „Impronale“
Gerade als Gastgeber des internationalen Festivals „Impronale“ wäre der Verein gern in dem repräsentativen einstigen Freimaurerlogen-Gebäude in der Kardinal-Albrecht-Straße geblieben - doch leider ...: „Die Miete hat sich fast verdoppelt“, sagt Franka Söll. - „Sie musste angepasst werden“, sagt Inge Richter, die Chefin des Puschkinhaus-Vereins, der - einst noch unter anderem Namen - das Haus von der „Loge zu den Fünf Türmen“ gekauft hatte: übrigens noch zum Zwecke der Förderung des Kinder- und Jugendtheaters. Das freilich ist 2012 aus Ein-spargründen hier aus- und in der Kulturinsel eingezogen.
Doch nach der Kündigung des Kaltstart-Vereins hielt sich in der freien Szene das Gerücht, die Theater, Oper und Orchester GmbH (TOOH) mit NT und Thalia-Ensemble brauche das Gebäude wieder, wegen fehlender Probenräume, und wolle sich hier einmieten - oder habe es schon getan. Auf MZ-Anfrage antwortet der neue TOOH-Geschäftsführer Stefan Rosinski: „Nein, das stimmt nicht. Aufgrund des Personalabbaus in den technischen Gewerken ist eine zusätzliche Inbetriebnahme des Puschkinhauses zurzeit nicht möglich.“
Theatersaal mit 280 Plätzen
Wer statt „Kaltstart“ nun als Nachbar des Puschkinos ins Puschkinhaus einzieht, steht offenbar schon fest, sagt Inge Richter. Doch wolle und müsse man es dem neuen Mieter schon überlassen, das öffentlich zu machen.
Freie Träger und Stadt, so heißt es in Halles Zukunftskonzept, werden in den kommenden Jahren verstärkt nach Möglichkeiten suchen, die freie Szene und soziokulturelle Angebote zu unterstützen. Die städtische Projektförderung betrachtet die Arbeit der Bildenden Künstlerinnen und Künstler mit Kindern und Jugendlichen als Schwerpunkt. Die Stadt verfolgt das Ziel, die Projektfinanzierung für die freien Künstler schrittweise auf insgesamt fünf Prozent des Gesamtkulturhaushalts anzuheben und dieses Verhältnis festzuschreiben. Zugleich ist eine stärkere Vernetzung der freien Szene mit den etablierten Einrichtungen anzustreben. Es wird weiter geprüft, ob das Theatergebäude in der Kardinal-Albrecht-Straße dauerhaft als Spielstätte für die freien Gruppen zur Verfügung gestellt werden könnte. (Zitiert aus Dem Konzept „ISEK 2025“, S. 86)
Freilich ist das „Alte Thalia“ baulich und vom Eigentum her ein etwas komplizierteres Gebilde: Der eigentliche große Theatersaal mit 280 Plätzen samt Nebengelass ist - anders als das Puschkinhaus - im städtischen Eigentum - und wird gelegentlich weiterhin von der TOOH, zumindest aber vom Thalia-Ensemble für dessen große Faschings-Inszenierungen genutzt.
„Freie Spielstätten Halle“
So groß brauchen - und wollen - es die freien Theater freilich meist gar nicht, sagt Oliver Rank, der gemeinsam mit Maxi Grehl, deren Interessengemeinschaft (IG) leitet. Eine Bühne in der Größe des nun nicht mehr existierenden Theaters „Mandroschke“ würde ihnen schon genügen. Und über eine Lösung im Kellergewölbe der „Goldenen Rose“ in der Rannischen Straße wird auch gerade nachgedacht. Sogar ein Trägerverein namens „Freie Spielstätten Halle“ ist soeben dafür gegründet worden, sagt Rank.
Zwischendurch waren die Vertreter der IG zusammen mit dem Prinzipal der Freien-Theater-Bewegung von Sachsen-Anhalt, dem halleschen Stadtrat Tom Wolter, und Halles Kulturdezernentin Judith Marquardt in Leipzig, um sich über die Arbeit, die Spielstätten und die Möglichkeiten der dortigen freien Szene zu informieren und mit den dortigen Machern in Austausch zu treten. Die wichtigste, wenn auch nicht überraschendste Erkenntnis der Freien daraus lautet: „Mit richtig Geld und an den richtigen Orten kann man richtig was machen!“
Städtische Kulturförderung
Dazu müsste freilich auch noch ein zweites Isek-Versprechen eingelöst werden: jener Fünf-Prozent-Anteil von der städtischen Kulturförderung, der mal an die freie Szene gehen soll. Doch davon sind Halle und seine Freien Künstler mit derzeit 0,03 Prozent (15.000 Euro pro Jahr für Theaterprojekte) noch fast so weit entfernt wie von dem berühmten „Sechser“ im Lotto.
Guten Willen signalisiert nach dem Leipzig-Besuch auch Judith Marquardt: „Wir brauchen für die freien Gruppen bessere Bedingungen und Spielstätten - so schnell wie möglich“, sagt die Kulturdezernentin der Europa-Kulturhauptstadt-Anwärter-Metropole Halle. Für den Fall, dass letzterer Wunsch in Erfüllung geht, ohnehin. Denn wenn das Stadttheater im Sommer des Europakulturhauptstadtjahres 2025 Spielzeitpause hat, muss Halles freie Szene für die Gäste aus aller Welt ja voll einsatzfähig sein! (mz)