Bahn schließt die Lücke Ab wann in Halles Süden wieder Züge fahren
Im Süden Halles geht es an der Kasseler Strecke voran. Ab 29. November sollen die Züge wieder fahren. Von Nietleben geht es bald auch direkt nach Leipzig.

Halle (Saale)/MZ - Es ist ein scheinbar banaler Moment, wie er auf Großbaustellen der Bahn zum Alltag gehört. Am Haken eines Krans schwebt eine 300 Kilo schwere Betonschwelle herab, Arbeiter bringen sie in Position. „Das ist ein historischer Augenblick, denn jetzt ist die neue Strecke, die Kasseler Bahn, geschlossen“, sagt Thomas Lukowiak, Projektleiter für den Umbau des Bahnknotens in Halle. 2014 hatte das Mammutvorhaben begonnen, in das seitdem über 800 Millionen Euro Investitionskosten geflossen sind. Und im Süden der Stadt, dort wird seit Anfang Februar die neue Infrastruktur für einen modernen Zugverkehr gebaut, haben die Bautrupps das Finale vor Augen.
„Am 29. November müssen und werden wir fertig sein. Dann endet früh um 4 Uhr die Sperrung der Strecke“, sagt Lukowiak. 35.000 neue Schwellen werden dann zwischen der Dieselstraße und Angersdorf verlegt sein. 22.000 laufende Meter neue Gleise wurden verschweißt und festgeschraubt. Bis zu 120 Meter sind die einzelnen Schienenstücke lang. Vier Brücken wurden erneuert, drei Bauwerke am Rosengarten und die Querung über den Diestelweg, der ab Ende November dieses Jahres für Fußgänger und Radfahrer wieder passierbar sein soll. Zuvor muss die Stadtwerketochter EVH noch eine Gasdruckleitung verlegen.
„Ursprünglich wollten wir schon eher bauen“
„Wenn die Züge ab dem 29. November wieder fahren, sind wir mit dem Umbau des Bahnknotens Halle aber noch lange nicht fertig“, erzählt Lukowiak. Bereits ab der kommenden Woche rücken die Arbeiter „am Strang nach Nietleben an“, wie es der Projektingenieur formuliert. Der Haltepunkt Zscherbener Straße, der Bahnhof Nietleben und zwei Weichen am Bahnübergang Hallesche Straße/Zur Gartenstadt in Neustadt werden erneuert. Speziell die Schließung des Bahnübergangs wird viele Hallenser hart treffen. Für sie ist die Straße ein Schleichweg, um im städtischen Baustellengewirr die Staus zu umfahren und Zeit zu sparen. „Ursprünglich wollten wir schon eher bauen, aber die Stadt hatte uns gebeten, mit der Sperrung noch zu warten“, so Lukowiak. Nun müsse man aber starten, am 4. Oktober geht es los. Denn auch der Bahn sitzt der Zeitplan im Nacken. Am 12. Dezember wird der Fahrplan umgestellt, dann soll die S-Bahn von Nietleben bis Leipzig durchfahren. Und der neue Fahrplan ist in der Bahn-Welt so etwas wie das Evangelium. Er ist gesetzt.
Dass die Arbeiten zwischen dem Rosengarten und Angersdorf überhaupt im Zeitplan liegen, grenzt an ein Wunder und ist dem Geschick und Improvisationstalent der Planer zu verdanken. Ursprünglich wollte die Bahn über mehrere Jahre im Süden der Stadt bauen. „Um aber die Belastungen für Anwohner so gering wie möglich zu halten, haben wir alles in dieses Jahr gequetscht.“ Neun Monate für ein derart komplexes Vorhaben: Das ohnehin sportliche Ziel wurde vom Wintereinbruch im Februar, Schwierigkeiten im Baugrund und den Auswirkungen der Corona-Pandemie torpediert, die zu Materialengpässen führte.
„Das ist ein besonderes und schwieriges Jahr gewesen“
Und als im Westen Deutschlands verheerende Unwetter Leid und Zerstörung brachten, wurden auch Bahnstrecken vom Hochwasser zerstört. Plötzlich gab es nicht nur einen Kampf um Holzbalken oder Kabelstränge, sondern auch um Arbeiter. „Das ist ein besonderes und schwieriges Jahr gewesen. Umso erleichterter können wir sein, dass wir unser ehrgeiziges Ziel halten können“, sagt Lukowiak.
Der Hallenser wird auch in diesem Jahrzehnt noch gut mit dem Umbau des Bahnknotens zu tun haben, dem größten Infrastrukturprojekt in der Stadt seit Jahrzehnten. 2023 wird beispielsweise der Haltepunkt an der Halle Messe erneuert. 2024 sind die Gleise zwischen Peißen und Reußen an der Reihe, 2026 die Saale- und die Saaleflutbrücke.