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205. Geburtstag 205. Geburtstag: Die armen Erben Carl Loewes

14.09.2001, 18:44

Löbejün/MZ. - Was Händel für Halle bedeutet, ist Carl Loewe für Löbejün - Inbegriff musikalischer Tradition und Quelle internationaler Aktivitäten. Da der Hallenser als beherrschende Figur der europäischen Barock-Musik, dort der Löbejüner in einer Reihe mit den bedeutenden Komponisten der deutschen Romantik. Anders als die Händel-Erben verfügen die Musikfreunde im Saalkreis aber über kein festes Budget. Ohne ehrenamtliches Engagement läuft gar nichts. Über Erinnerungen, Ausblicke, Probleme und die nächsten Aufgaben sprach MZ-Redakteur Ralf Böhme mit dem Präsidenten der Internationalen Carl-Loewe-Gesellschaft, Dr. Andreas Porsche.

Händel stand zu allen Zeiten hoch im Kurs, Carl Loewe ist weit weniger bekannt. Warum?

Porsche: Hierzulande standen Loewe und sein Werk durch eine falsche Bewertung nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit im Abseits. Aus verschiedenen Gründen galt dieser Künstler als erzkonservativer Hohenzollern-Komponist, romantisch, königstreu, preußisch und Freimaurer. Natürlich war er viel mehr, aber dieses Stigma haftete ihm an. In seiner Heimatstadt Löbejün aber gab es immer Musikfreunde, die sein Erbe pflegten.

Wie ist ihre früheste Erinnerung an Carl Loewe?

Porsche: Ich bin 1961 in Löbejün geboren, vieles erinnert dort an Loewe. Da gibt es das Denkmal am Markt, die Gedenktafel am Ort seines Geburtshauses, die Carl-Loewe-Straße und Konzerte. Ich habe noch das Bild vor Augen, wie der berühmte blinde Sänger Alois Binar im Kultursaal der Zuckerfabrik den "Erlkönig" sang, den Loewe so meisterlich vertonte. Dieses Erlebnis hat mein Interesse geweckt.

Die Internationale Carl-Loewe-Gesellschaft entstand Anfang der neunziger Jahre - Größenwahn oder Anspruch?

Porsche: Natürlich war es ein Wagnis. Aber es gab ein Fundament. Die Tradition reicht bis 1888 zurück, als in Löbejün der erste Carl-Loewe-Verein entstand. Seit 1985 arbeitete ein Freundeskreis im Kulturbund, dem etwa ein Dutzend Musikfreunde angehörte. Ich war einer der Mitbegründer, als damals 24-jähriger Medizinstudent. 1992 kam es zur Gründung der internationalen Gesellschaft. Das eröffnete neue Wege. 1996 zum 200. Geburtstag des Komponisten traten namhafte Künstler wie Hermann Prey und Dietrich Fischer-Dieskau Loewes wegen in Löbejün auf.

Hatten die Löbejüner denn etwas, womit sie wuchern konnten?

Porsche: Tradition und Begeisterung sowieso, aber auch etliche wertvolle Erinnerungsstücke an Carl Loewe. Obwohl da in den sechziger Jahren ein schmerzlicher Verlust zu beklagen war. Damals brannte eine Ausstellung im Halleschen Tor aus, darunter auch Handschriften und die Original-Locke von Loewe.

Wer fragt im Ausland nach Carl Loewe und Löbejün?

Porsche: Das Interesse besteht weltweit, wir merken es zunehmend seit der Schaffung der Carl-Loewe-Forschungs- und Gedenkstätte 1999 und seitdem wir die Internet-Seiten betreiben. Anfragen kommen insbesondere aus Japan, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. Auch die Gesellschaft selbst ist international zusammengesetzt. Da gibt es den Opernsänger aus Wien, der das Liedgut erschließt. Dann haben wir etwa einen Forscher aus London, der sämtliche Musikaufnahmen der Werke sammelt und archiviert. Musiker aus Israel und Kanada bereichern den Kreis genauso wie Nachwuchswissenschaftler aus Japan. Wichtige Kontakte sind auch zu Polen entstanden, speziell nach Stettin. Dort wirkte Loewe 40 Jahre als Städtischer Musikdirektor und Organist.

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