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Zschornewitzer Nymphen Verschwundene Nymphen in Zschornewitz: Landeskriminalamt rollt spektakulären Fall aus Zschornewitz wieder auf

Von Michael Hübner 10.01.2017, 05:00
Die Nymphen sind das bekannteste Werk des Berliner Bildhauers Walter Schott.
Die Nymphen sind das bekannteste Werk des Berliner Bildhauers Walter Schott. Klitzsch

Zschornewitz - Das Landeskriminalamt (LKA) rollt derzeit einen der spektakulärsten Fälle der vergangenen Jahrzehnte erneut auf und hat plötzlich wieder eine heiße Spur zu den Zschornewitzer Nymphen! Die sind in einer Nacht vor exakt 20 Jahren spurlos verschwunden und sorgten für überregionale Schlagzeilen.

Es geht um eine wertvolle Brunnenskulptur, die seit 1937 die Bewohner des Pflegeheims vor ihrer Einrichtung erfreute. Die Nymphen sind wieder aufgetaucht - und zwar im Internet. Das europäische Büro eines Auktionshauses hat das Kunstwerk für 12.500 Euro - Startgebot 6.000 Euro - im März 2016 versteigert.

Entdeckt hat das die Zschornewitzerin Martina Schön (SPD) - und das nicht zufällig. „Ich habe jedes Jahr mindestens drei- bis viermal intensiv recherchiert“, berichtet die Bürgermeisterin. Nach 240 Monaten Detektivarbeit werden ihre Bemühungen belohnt. Sie informiert den Regionalbereichsbeamten. Inzwischen wird der Fall in Magdeburg bearbeitet. „Wir prüfen, ob eine Straftat vorliegt“, sagt ein LKA-Ermittler der MZ. Noch gebe es keinen Anfangsverdacht.

Allerdings habe der Eigentumsnachweis des Internet-Unternehmens bisher nicht überzeugt. Das Unternehmen selbst sieht das anders. „Uns liegt eine einwandfreie Provenienz aus dem Raum Berlin vor“, hat Luisa Elster keine Zweifel an der Herkunft. Die PR-Direktorin betont am Montag: „Der Eigentumsnachweis ist also eindeutig geklärt.“ Nach ihren Angaben gibt es „zu diesem Objekt eine große Stückzahl an Ausführungen und unzählige Nachgüsse in verschiedenen Größen“.

„Zudem wurde das Objekt vom Art-Loss-Register überprüft“, so Elster, die um Verständnis bittet, dass „aus Gründen der Diskretion und des Datenschutzes jedoch keine detaillierteren Angaben zum Verkäufer und Käufer gemacht werden können.“ Damit ist ihr Haus tatsächlich schon seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen. Das erwähnte Register ist die weltweit größte Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke. Es beweise aber laut Internet-Lexikon Wikipedia nicht, „dass der Kunstgegenstand nicht abhandengekommen ist“.

Die Kriminalisten setzen dagegen auf die Negative der letzten Fotos der Skulptur. Mit Hilfe modernster Technik soll die Registriernummer erkennbar gemacht werden. Das wäre der eindeutige Beweis! Dass die Größe der versteigerten Nymphen zu den Zschornewitzern passt, reicht nach Auffassung des LKA dazu nicht aus. Die Ermittler bestätigen, dass der Käufer ein Berliner ist.

Joschka Fischer gerät vor 20 Jahren unter Verdacht

Schon vor 20 Jahren führt eine Spur in die Hauptstadt. Unter Verdacht gerät der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) - zumindest bei den Zschornewitzer Ratsdetektiven. Sie fanden in einer Illustrierten das Foto von einem detailgetreuen Ebenbild der drei tanzenden Mädchen - und das in einem Bericht über eine Gartenparty im Berliner Gästehaus des prominenten Politikers.

Die Zschornewitzer dachten bis dato, sie würden über ein Unikat von Walter Schott verfügen und erfahren so, dass es die Nymphen in unterschiedlichen Größen gibt. Die Berliner waren eben eine Nummer größer als die Zschornewitzer - und Joschka Fischer hat eine weiße Weste.

Zwischen 1903 und 1910 entstanden in der bekannten Kunstgießerei Gladenbeck in Berlin-Friedrichshain mindestens sechs Exemplare dieser sinnlich schönen Brunnenzierde, die zu den bekanntesten Hauptwerken des 1861 geborenen Bildhauers gehörten. Das LKA geht aktuell sogar von acht aus.

Der Zschornewitzer Brunnen entstand 1903 - genau wie der versteigerte - als auftragsfreie Arbeit von Walter Schott und wurde 1910 in Brüssel sowie in den darauffolgenden Jahren in Berlin, München, Düsseldorf und Wien zum Verkauf ausgestellt. Den ersten Nymphenreigen erwarb der Berliner Verleger Rudolf Mosse. Ein weiteres Exemplar schmückte zuerst das Kaufhaus in Wertheim. Ein dritter Brunnen ist im Central-Park in New York zu bewundern. Auch die Besucher des Parks der Burg Schlitz dürfen sich der im Kreis tanzenden Mädchen erfreuen.

Belohnung der Zschornewitzer bereits verjährt?

Die wollen auch die Zschornewitzer wieder. Die Räte setzten 2004 5.000 Euro Belohnung „zur Ergreifung der kriminellen Kunsträuber“ aus. „Es gab nie einen Hinweis“, sagt Schön, die selbst ein Kandidat für das Geld ist. Für die Prämie kommt aber auch Heidemarie Emersleben aus Wolmirstedt in Frage. Sie hat vor 20 Jahren Druck auf die Gräfenhainichener Polizei ausgeübt, damit die Ermittlungen forciert werden.

Von ihr stammen die jetzt auch so wichtigen Negative, und noch heute ist sie ein Ansprechpartner fürs LKA. Allerdings ist unklar, ob das Geld noch zur Verfügung steht. „Es ist zu prüfen, ob die Zschornewitzer dafür eine Rücklage angelegt haben“, sagt der zuständige Gräfenhainichener Bürgermeister Enrico Schilling (CDU). Aber darum geht es den Frauen nicht. Sie wollen, dass das bezaubernde Trio wieder zurück kommt. Wassernymphen sind der Sage nach nicht nur liebliche, sondern auch sehr scheue Wesen, die sich nur schwer ergreifen lassen. Diese Eigenschaft haben sie offensichtlich mit ihren „Entführern“ gemein. (mz)