Tagung der Paul-Gerhardt-Gesellschaft Tagung der Paul-Gerhardt-Gesellschaft: Anti-Star bleibt modern

Gräfenhainichen - Gräfenhainichen: Der Ort ist ein Muss. Ein geographisches Highlight. Nirgends kommt man den Wurzeln Paul Gerhardts näher als hier. Vor 410 Jahren erblickte der Kirchenlieddichter in der Heidestadt das Licht der Welt. Hier machte der Mann die ersten Schritte, der wie kaum ein anderer Eingang in die Gesangbücher fand.
„Ich freue mich riesig, dass sich die Mitglieder der Paul-Gerhardt-Gesellschaft zu ihrer Jahrestagung hier bei uns treffen“, sagt Wilma Deißner. Seit Jahren hält sie die Fahnen des großen Sohnes der Heidestadt hoch. „Aber jetzt die Gesellschaft begrüßen zu können, das ist doch ein besonderer Augenblick.“
Gräfenhainichen, der Nabel der Welt für Paul-Gerhardt-Freunde: Davon wird keiner der Teilnehmer reden. Allerdings sehr deutlich davon, dass es ein Erlebnis sei, hier wissenschaftlich über den Kirchenmann und sein Werk zu beraten. Einen weiteren Vorteil spricht Konrad Klek offen an.
„In Gräfenhainichen hat man den Vorzug nah an Wittenberg zu sein, ohne in Wittenberg unterzugehen“, erklärt der Inhaber der Professur für Kirchenmusik an der Universität Erlangen-Nürnberg, der zugleich Präsident der Paul-Gerhardt-Gesellschaft ist.
Die Paul-Gerhardt-Gesellschaft wurde 1999 gegründet. Heute zählt sie 75 Mitglieder: Privatpersonen, Kommunen, Institutionen. Die Vereinigung hat ihren Sitz in Berlin und macht sich stark für die Pflege und Förderung des Werkes von Paul Gerhardt.
Einmal jährlich lädt sie zur wissenschaftlichen Tagung rund um das Wirken des Kirchenlieddichters ein. Die Stationen haben oft einen Bezug zum Leben Gerhardts.
Wittenberg und Martin Luther. Auch Klek und Mitstreiter kommen daran nicht vorbei. Zumal Luther der wohl bekannteste Deutsche sei. Aber wie sieht es mit Paul Gerhardt aus? Ist er ein Star? „Man wird zum Star, wenn man von Personen angehimmelt wird“, erinnert Klek. Gute Karten für Paul Gerhardt.
Zweifellos wäre der Kirchenmann in der heutigen Zeit allein wegen der Verbreitung seiner Lieder locker Milliardär gewesen. Das sagt Johanna Haberer geradeheraus. Auch sie ist Professorin, lehrt in Erlangen Christliche Publizistik und wurde unter anderem durch ihre Fernsehpräsenz beim „Wort zum Sonntag“ bekannt.
Das Zeug zum Star hätte Paul Gerhardt. „Seine Lieder treffen den Nerv“, ist Johanna Haberer überzeugt. Je länger sie über den großen Sohn Gräfenhainichens referiert, desto mehr verfestigt sich ein anderer Gedanke. Paul Gerhardt war Anti-Star. Erfolg im heutigen Maßstab hatte er wohl nicht im Sinn. Wohl aber eine klare, deutliche und schnörkellose Sprache.
Eine, die auch Luther nutzte, wenn er dem Volk praktisch aufs Maul schaute. Gerhardt wird verstanden. Seine Worte sind deutlich. So deutlich, dass nicht alle ins Gesangbuch Eingang gefunden haben.
„Nur über Paul Gerhardt reden geht nicht. Wir dürfen auch singen“, stellt Johanna Haberer klar. Gern unterbricht sie den Vortrag. Zuhörer werden zum Chor, die Referentin stimmt voller Inbrunst ein, der Präsident der Gesellschaft spielt Klavier. Paul Gerhardt ist nicht aus der Mode. Seine Worte sind verständlich.
Sie waren es auch schon zu seinen Lebzeiten. Er übertrug Psalmen in einfache, zu Herzen gehende Verse. Sein Glück war freilich auch, dass große Komponisten – Bach gehört dazu – sein Werk aufgriffen und vertonten. Gerhardts Worte verbreiteten sich immer mehr.
„Man muss ihn verstehen, sich auf eine ganz persönliche Art nähern“, ist Elisabeth Knossalla überzeugt. Die Limburgerin hat sich von Paul Gerhardt zu Textilbildern animieren lassen. In der Paul-Gerhardt-Kapelle stehen die Arbeiten im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung. „Ich staune immer wieder, wenn Besucher zum Gesangbuch greifen oder einfach so singen, wenn sie die Bilder betrachten.“ Elisabeth Knossalla baut Brücken zwischen Bild, Wort und Gesang. (mz)