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Splash! und Melt in Ferropolis Splash! und Melt in Ferropolis: Festivalstimmung mit Handicap

Von Andreas Hübner 13.07.2016, 14:46
Auch Joel Rombley konnte seiner Lieblingsband beim Splash! zujubeln - das Festival ist barrierefrei.
Auch Joel Rombley konnte seiner Lieblingsband beim Splash! zujubeln - das Festival ist barrierefrei. Thomas Klitzsch

Gräfenhainichen - Joel Rombey kann sich an den Moment, als er erstmals Festivalkarten in der Hand hatte, noch ganz genau erinnern. „Das war 2013“, berichtet der jetzt 20-jährige Hip-Hop-Fan. „Und die Karten waren für Splash!“, fügt er sofort hinzu. Die Freude bei dem Teenager war damals riesig.

Doch nur kurze Zeit später sollte der Traum von Splash! jäh zerplatzen: Die Folgen eines katastrophalen Badeunfalls zwingen den Aachener seitdem in einen Rollstuhl. Joel ist querschnittsgelähmt. Der Wunsch, unzählige Liveacts auf etlichen Bühnen zu erleben und mit Tausenden Gleichgesinnten mittendrin tagelang zu feiern, rückte plötzlich in weite Ferne und wurde vorerst schlichtweg nebensächlich.

„Erstmal hatte ich dann ein ganzes Jahr Reha“, erinnert sich Joel Rombey. „Dass ich doch mal auf so ein Festival kann, hätte ich damals nie für möglich gehalten.“ Von Verdruss oder Unlust ist bei dem jungen sympathischen Mann aber keineswegs etwas zu spüren, wenn man sich jetzt mit ihm unterhält. Schon gar nicht am Wochenende, denn erstaunlicherweise besuchte Joel bereits zum zweiten Mal die Halbinsel Ferropolis und erlebte gemeinsam mit 20.000 anderen Fans von Hip Hop und Rap das Spektakel beim Splash! hautnah.

„Für die Macher von Splash spielte das Thema Inklusion und behindertengerechte Zeltplätze eigentlich von Anfang an eine Rolle“, lobt Dirk Glowka, Vorsitzender des Vereins Barrierefreie Festivals, die Veranstalter der Hörstmann-Unternehmensgruppe explizit als Vorreiter auf diesem Gebiet. Während der diesjährigen Auflage stehen insgesamt sogar rekordverdächtige 70 barrierefreie und behindertengerechte Zeltplätze zur Verfügung. Diese sind erneut gut frequentiert.

Auch beim Melt spielt das Thema Barrierefreiheit eine wichtige Rolle. "Wir wollen Euren Aufenthalt auf dem Melt! so angenehm wie möglich gestalten können", heißt es vom Veranstalter. Neben speziellen Niederflurbussen, gibt es fest installierte Behindertentoiletten auf dem Festivalgelände. In den Campingbereichen gibt es ebenfalls behindertengerechte Sanitäranlagen.

Wie viele Menschen mit Behinderungen tatsächlich bei den Festivals vor Ort sind, kann Glowka allerdings nicht definieren. „Es gibt auch einige, die unsere Angebote nicht nutzen und lieber mit Freunden auf den anderen Zeltplätzen sind“, sagt er. Der erste offensichtliche Vorteil der spezialisierten Zeltplätze ist freilich die direkte Nähe zum Festivalgelände. Selbst mit dem Rollstuhl kann man innerhalb von nur zwei Minuten barrierefrei die wichtigsten Bühnen erreichen.

Dort sind mit erstaunlich überschaubarem Arbeitsaufwand jeweils zwei barrierefreie Bühnen für Rollstuhlfahrer installiert. Jeweils eine bei den vorderen und eine in den hinteren Reihen. Die einzelnen Stellflächen für die Zelte werden darüber hinaus den individuellen Anforderungen der Gäste schon im Voraus angepasst. „Wenn also beispielsweise jemand Medikamente kühlen muss“, so Glowka, „bekommt er einen Kühlschrank.“

Nahezu einzigartig ist auch die transportable behindertengerechte Toilette. Dafür wurde ein geräumiger Container umgebaut und mit Toilette, Waschbecken, ebenerdiger Dusche und einer klappbaren Behandlungsliege ausgerüstet. „Hier kann also auch im Sitzen geduscht werden und auf der Liege sind sogar kleinere Anwendungen möglich“, berichtet Glowka, der auch den Verantwortlichen der Ferropolis GmbH die Augen geöffnet hat.

„Der Verein hat uns einfach gezeigt, dass es sehr wohl geht“, so Geschäftsführer Thies Schröder, „und es einfach gemacht. Wir können jetzt daraus auch einige Schlüsse für unseren Normalbetrieb ziehen, wo die Themen Barrierefreiheit und Inklusion auch eine immer größere Rolle spielen.“

Joel im Übrigen war in diesem Jahr nicht etwa allein angereist. Genau die Kumpels, mit denen er 2013 vor seinem Unfall das Festival unsicher machen wollte, sind mit von der Partie. „Patrick, Sebastian und mein Stiefbruder Justin“, stellt Joel sie launig vor, „das ist so mein Team.“ Auch sein Vater begleitet ihn, da nach wie vor tägliche Behandlungen durchgeführt werden müssen. „Dafür ist im Camp gesorgt“, sagt er und fast im selben Augenblick erwähnt er auch, dass er sich am allermeisten auf den Hip Hop Act der „257ers“ freut.

„Die kommen bei uns aus der Gegend“, betont er fast stolz. Und dann ist es auch schon so weit. Tausende Festivalbesucher erleben einen einzigartigen Auftritt der „257ers“, der in der Interpretation des aktuellen Hits „Holland“ gipfelte, und mittendrin: Joel Rombey. (mz)