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Konzerte in Ferropolis Konzerte in Ferropolis: Wenn Musik zur Last wird

Von Ulf Rostalsky 29.11.2018, 13:56
Eindrücke vom Melt Festival 2018 in Ferropolis.
Eindrücke vom Melt Festival 2018 in Ferropolis. Thomas Ruttke

Gräfenhainichen - Ferropolis als Veranstaltungsstätte ist gefragt und erlebte zuletzt spürbaren Aufwind. Mit „Melt!“, „Splash!“ und „With Full Force“ standen dieses Jahr gleich drei große Festivals auf dem Programm. Dazu kam das Einzelkonzert der Toten Hosen, mit dem „Iron Drift King“ ein Motorsportspektakel und diverse kleinere Veranstaltungen. Die Besucherzahlen lagen in Summe deutlich über der 100000er Marke.

Alles scheint in bester Ordnung. Dennoch räumt Ferropolis-Geschäftsführer Thies Schröder ein: Die Festivals gehen nicht ohne Spuren an den Bewohnern in der Nachbarschaft vorbei. Er zitierte Wilhelm Busch: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Lärm verbunden.“ Das Problem liegt auf der Hand. In der Stadt aus Eisen wird die in der Saison geschaltete Lärmhotline immer wieder in Anspruch genommen. Anlieger beschweren sich.

„Es ist an der Zeit zu informieren“, betonte Schröder während einer Veranstaltung zum Lärmmanagement in der Stadt aus Eisen. Zu der waren erstmals bekannte Lärmkritiker geladen - aber nur eine Handvoll erschien zur Runde mit Veranstaltern und Akustikern. „Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Der Termin war nicht ideal gewählt“, sagt Schröder und blickt voraus. Nächstes Jahr wird nicht für 15 Uhr, sondern später geladen.

Die Stadt aus Eisen wird auch nächstes Jahr Besuchermagnet sein. Bereits jetzt stehen die Termine für Großveranstaltungen fest. Vom 28. bis 30. Juni findet das „With Full Force“ statt. Das „Splash!“ ist einen Tag kürzer als gewohnt und steigt vom 11. bis 13. Juli. „Melt!“ geht vom 19. bis 21. Juli in die nächste Runde. Die „Iron Drift Kings“ geben sich vom 16. bis 18. August die Ehre.

Unter den schon diesmal anwesenden Bürgern waren auch zwei Anwohner aus Zschornewitz, die namentlich nicht genannt werden wollen. Seit Jahren kämpfen sie gegen den Lärm. Sie berichteten von schlaflosen Nächten und beklagten fehlendes Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von Verträgen zum Betrieb der in kommunaler Hand befindlichen Veranstaltungsstätte. Nicht zuletzt zweifelten sie an, ob die erfassten Lärmpegel überhaupt korrekt sind.

Landkreis ist streng

Rechtlich ist die Sache klar. Ferropolis darf Lärm aussenden. Das wird der Stadt aus Eisen in der Betriebserlaubnis zugestanden. In seinen Auflagen zeigt der Landkreis Wittenberg jedoch Strenge. In der Freizeitlärmrichtlinie des Landes Sachsen-Anhalt dürfen Orte wie Ferropolis pro Jahr 18 sogenannte seltene Ereignisse mit erhöhten Lärmpegeln veranstalten. Der Kreis erlaubt der Stadt aus Eisen ganze zehn. „Klar, dass wir die Möglichkeiten ausreizen“, erklärt Schröder.

Er sieht sich in der Pflicht, will Ferropolis als Spielstätte weiterentwickeln und für zusätzliche Wirtschaftskraft sorgen. Bis zu 1,4 Millionen Euro lassen Besucher pro Festival unabhängig der gekauften Tickets in der Region. Die Zahlen sind in einer wissenschaftlichen Untersuchung erfasst worden.

Aber läuft wirklich alles nach Plan? Werden die möglichen Ausnahmen mit einem Lärmniveau von 70 Dezibel am Tag und 55 Dezibel in der Ruhezeit eingehalten? Kritische Anwohner bezweifeln das. Akustiker Lars Kopischke ist anderer Meinung. Seit 2010 ist er in Sachen Lärmschutz rund um Ferropolis im Einsatz.

Er misst direkt an den Bühnen. Besonders relevant sind aber die Daten an den Orten, wo der Lärm auftritt: Also abhängig der Windrichtung vernehmlich in Strohwalde, Gräfenhainichen und Jüdenberg. Dort dürfen die Werte von 70 bzw. 55 Dezibel nicht überschritten werden.

Wenn erhöhte Werte gemessen werden würden, müsste an den Bühnen nachgeregelt werden, erklärte Kopischke: „Wir brauchen dafür maximal 30 Minuten.“ Der Akustiker sagt aber: „Wir sind an allen Orten noch nie über die Grenzwerte hinausgekommen.“

Aber wieso klagen Anwohner dann über Lärm? Der Teufel steckt offenbar im Detail. Kopischke macht auf die unterschiedlichen Frequenzbereiche aufmerksam. Während hohe Frequenzen bei herkömmlichen Bauten weitgehend abgemindert werden, dringen tiefe mitunter mühelos durch Wände. Gerade bei Holzbauten sei das zu beobachten. Die immer wieder beklagte Belästigung durch tiefe Basstöne spricht für das Phänomen.

Technik soll helfen

„Wir versuchen die tiefen Frequenzen zu regeln“, betont Alexander Urban, der als Produktionsleiter in Ferropolis unterwegs ist. Er spricht zudem von technischen Neuerungen. Statt großer Lautsprechertürme würden sogenannte Bananen eingesetzt. Ton werde damit punktgenau ausgerichtet.

Trotzdem blieben Bedenken. Dass die Lautstärke ein Problem für die Tierwelt auf der Halbinsel im Gremminer See ist, glaubte eine Zschornewitzerin. Sie habe davon gehört, dass während der Konzerte Nester der unter Schutz stehenden Schwalben von Kranbrücken gefallen wären. Landkreis-Vertreter Holm Alscher sicherte zu, seine zuständigen Kollegen darüber zu informieren.

(mz)