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Besuch aus China Besuch aus China: Deutschland ist mehr als Weißwurst

Von Paul Damm 04.09.2018, 09:34
Anna Wang mit ihrer Gastfamilie Theres Hellmann, Amelie Hellmann und Doreen Hellmann vor der Thesentür der Schlosskirche in Wittenberg.
Anna Wang mit ihrer Gastfamilie Theres Hellmann, Amelie Hellmann und Doreen Hellmann vor der Thesentür der Schlosskirche in Wittenberg. Paul Damm

Wittenberg - Eine Strecke von 7800 Kilometern und eine Flugzeit von mehr als neun Stunden liegt Anna Wangs Heimat von Deutschland entfernt. Nach mittlerweile drei Jahren an ihrem neuen Wohnort Bamberg wagt sie ein Projekt - sie möchte Deutschland besser kennenlernen. Deshalb kam sie vor gut zwei Wochen nach Gräfenhainichen, wo sie in einer Gastfamilie aufgenommen wurde.

Vor drei Jahren war Anna Wang mit einem „Ni hao“ am Flughafen in Frankfurt begrüßt worden. Die damals 21-Jährige war komplett auf sich allein gestellt. Sie rollte ihren Koffer in Richtung Ausgang und versuchte sich mit Händen und Füßen zu verständigen.

Ihr Ziel war die Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Zuvor hatte sich die Chinesin über einem Studienplatz informiert und prompt eine Zusage erhalten. „Ich glaube, wenn ich nicht gewusst hätte, ob ich überhaupt angenommen werde, hätte ich den Schritt nicht gewagt“, erklärte Anna Wang.

Sie sei sich jedoch bewusst gewesen, dass das Studium in Deutschland kein Zuckerschlecken würde. Zwar hatte sie sich bereits in China mit der deutschen Sprache beschäftigt, dennoch fehlten ihr immer noch wichtige Grundlagen. „Vor drei Jahren wurde ich regelrecht ins kalte Wasser geworfen. Anfangs hatte ich große Probleme mit der Verständigung und dem deutschen Bildungssystem, doch nach dem ersten Semester habe ich mich allmählich zurechtgefunden“, berichtet Anna Wang stolz.

In ihrem derzeitigen Wohnort in Bamberg studiert sie mit knapp 186 Mitstreitern in sechs Semestern Germanistik. Ihr großes Ziel ist es, nach einem erfolgreichen Abschluss als Deutschlehrerin arbeiten zu können. Aus diesem Grund bemüht sich, ihren Wortschatz zu vergrößern. Bei ihren Studienfreunden kommt Anna Wang gut an.

Sie überzeugt durch ihre herzliche und offene Art. Oft werden ihr Fragen über ihr Herkunftsland und über ihre Kultur gestellt, andererseits möchte Anna so viel wie möglich über Deutschland in Erfahrung bringen. Dennoch spürt sie mitunter Heimweh.

Noch so viel zu berichten

In den Semesterferien hat sie aber Gelegenheit, nach Shanghai zurückzufliegen und ihren Liebsten von dem weit entfernten Land zu berichten. „Meine Eltern wissen nur, dass es in Deutschland gute Fußballer gibt und die meisten Einwohner Bier und Weißwurst essen. Deshalb muss ich sie erstmal aufklären, dass es noch so viel mehr in Deutschland gibt“, berichtet die mittlerweile 24-Jährige.

Ihre Freunde bestärken sie in der Idee, auch andere deutsche Gegenden kennenzulernen. Im Internet hat sie sich nach verschiedenen Familien erkundigt, die Gastschüler aufnehmen. Dabei ist sie auf die Familie Hellmann aus Gräfenhainichen gekommen. Die vierköpfige Familie hat ein großes Herz in Bezug auf Gastschüler. „Ich wurde herzlich vom Bahnhof abgeholt. Als ich anschließend mein Zimmer bezogen hatte, fühlte sich schon alles so vertraut an“, berichtet Anna Wang.

Leben in der Gastfamilie

Die älteste Tochter im Haus ist Theres Hellmann. Die 18-Jährige zeigte ihr die Stadt, nahm sie zu ihren Freunden und auf Partys mit und erzählte ihr viel über die Gegend. „Schon nach kurzer Zeit zählte Anna für uns zur Familie. Ich finde es spannend, etwas über eine für mich fremde Kultur zu erfahren. Und ich denke mal, Anna hat sich in den zwei Wochen gut bei uns eingelebt.“

Mit einem Anflug von Begeisterung gibt Anna zu verstehen, dass sie die Zeit in Gräfenhainichen sehr genossen hat. „Diese Ruhe hier auf dem Land ist einfach so herrlich. Bei uns in Shanghai war es stickig und laut. Kein Vergleich zu der Idylle hier. Ich glaube, das ist auch ein Grund, für immer in Deutschland zu bleiben und vielleicht irgendwann meine Familie nachzuholen.“

Eindeutige Pläne für die Zukunft hat die junge Chinesin jedenfalls schon. Das rechnet ihr auch die jüngste Hellmann-Tochter hoch an. Die 13-jährige Schülerin bewundert Anna für ihr Selbstbewusstsein: „Bei Anna hat man gesehen, dass alles möglich ist, wenn man nur den Ehrgeiz dafür hat. Ich konnte mir in der Hinsicht auch etwas von ihr abgucken.“

Am Sonntag endete der spannende Aufenthalt für Anna Wang in Gräfenhainichen - es hieß Abschied nehmen. Das fiel der 24-Jährigen nicht leicht. „Ich möchte auf jeden Fall mit der Familie Hellmann in Kontakt bleiben und weitere schöne Erinnerungen mit ihr teilen“, sagte sie und verschwand in dem Zugabteil in Richtung Bamberg.

(mz)