Zwei Meister arbeiten in der Backstube Hand in Hand
Eisleben/MZ. - Am 15. Oktober 1934 übernahm Karl Enkes Vater Kurt in der Annengasse eine "Brot- und Weißwarenbäckerei", die hier schon mehr als 100 Jahre bestand. Wann der Betrieb gegründet wurde, vermag keiner mehr zu sagen, aber nachweisbar ist, dass hier 1828 Bäckermeister Adam Schuster den Betrieb übernahm. Karl Enkes Bruder Rolf, der das Bäckerhandwerk ebenfalls von der Pike auf gelernt hat und nun schon seit Jahren im Geschichtsverein der Vergangenheit auf der Spur ist, weiß das anhand seiner Recherchen.
Die Vorfahren der Enkes hatten allesamt einen anderen Beruf. "Mein Großvater war Fleischermeister in Wansleben. Es waren alle Fleischer in der Familie, bis auf den jüngsten Sohn", erzählt Karl Enke. Dieser jüngste Sohn Kurt hat die Bäckerei in der Annengasse übernommen, weil hier 1934 ein neuer Meister gesucht wurde. Eine Chance für den damals 25-Jährigen, die er genutzt hat. 37 Jahre später übernahm dann Sohn Karl den Betrieb. Karl Enke räumt ein, dass er gar nicht Bäcker werden wollte. Aber wie sein ein Jahr älterer Bruder Rolf, der gern Elektriker geworden wäre, hatte er keine Chance einen anderen Weg einzuschlagen. "Jetzt bin ich 72 und mache es immer noch", scheint Karl Enke über sich selbst zu staunen.
Wie die Brüder ihren Vater in Erinnerung haben? Rolf Enke: "Er war ein strenger Lehrmeister. Qualität war sein oberstes Prinzip. Wenn da was nicht hinhaute, dann ging es hart zu." Der Vater hat den Söhnen etwas mitgegeben, das Karl Enke auch seinem Sohn Axel ins Stammbuch geschrieben hat. Dieser ist seit 1996 Meister und übernahm ein Jahr später den Betrieb. Ursprünglich hat Axel Enke zwar Schlosser gelernt, doch nach der Wende sah er in dieser Branche keine Perspektive mehr. Also schulte er um, ging beim Vater in die Lehre, und das in einer Zeit, da nicht wenige Backbetriebe daran gingen, in Stadt und Land neue Filialen zu eröffnen. "Wir haben diesen Trend nicht mitgemacht", erinnert sich Karl Enke, für den feststeht: "Wenn mein Sohn damals nicht gesagt hätte, er schult um, dann gäbe es den Betrieb schon nicht mehr."
Doch nun ist die Bäckerei Enke 75 Jahre alt. Die beiden Meister arbeiten gemeinsam. Warum der Altmeister immer noch mitarbeitet? "Ich wüsste gar nicht, was ich sonst machen sollte", antwortet er nachdenklich. Karl Enke ahnt jetzt schon, wie schwer es für ihn werden wird, wenn es eines Tages nicht mehr gehen sollte. Doch bis dahin hat es noch Zeit. Der Alt-Meister müht sich um Fitness: "Ich gehe zweimal in der Woche zum Tennis, mache Reha-Sport und muss sagen: Es tut mir gut, wenn ich hier arbeiten kann." Und was das Aufstehen mitten in der Nacht betrifft, das sei Gewohnheit. "Das hört sich für manchen vielleicht schlimm an. Ist es aber nicht."