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Vergessener Brauch Vergessener Brauch: Warum in Bornstedt die Prinzessin aus dem Turm befreit wurde

27.06.2016, 17:00
Bornstedt
Bornstedt Archiv/Lukaschek

Bornstedt - Ob in Bornstedt und Umgebung schon mal jemand was vom „Prinzessinsuchen“ gehört hat? Das war ein uralter Brauch, der einst am längsten Tag des Jahres auf dem Bornstedter Schloßberg und in den Nachbardörfern gepflegt wurde.

Als letzte „Prinzessin“ wird in der Chronik eine „Frau Siedemeister Giesemann-Neuglück“ genannt, die allerdings schon vor etwa 100 Jahren gestorben ist. Außer ihrem Namen und dass sie in ihrer Jugend „Prinzessin“ war, wissen wir nichts über sie. Hingegen wird das am Johannistag übliche „Prinzessinsuchen“ vom Eisleber Tageblatt am 23. Juni 1921 sehr ausführlich beschrieben:

Siegesfeier nach dem Sturm

„In dem Schloßturme hielten die Raubritter eine Prinzessin gefangen, die von einer beherzten Schar junger Burschen befreit werden sollte. Ihr Anführer hielt eine kühne Ansprache an die Raubritter: ,Elender Ritter, gebt Ihr mir meine Prinzessin nicht heraus, so erstürme ich Eure Burg und verheere sie mit Feuer und Schwert!'

Der Raubritter wies diese Aufforderung schroff zurück: ,Elender Ritter, ich gebe die Prinzessin nicht heraus, die ich mir ritterlich erobert habe.' Dann mansfelderte er weiter: Schoofzippel, kumm un probiers!'“ Was danach folgte, lässt sich denken. Die Burschen stürmen mit lautem Geschrei die Burg und befreien die Prinzessin, worauf unten im Dorf ein großes Siegesfest gefeiert wurde. „Vor 30 Jahren noch konnten die alten Leute von Bornstedt über den Verlauf dieser Feier eingehend berichten“, so das Tageblatt.

Johannisfeuer auf dem Kirchberg

Der Hinweis gibt Grund zu der Annahme, dass um das Jahr 1890 in Bornstedt noch Erinnerungen an den Brauch vorhanden waren, dessen Ende nur schwer zu erklären ist. Mag sein, dass er eingeschlafen ist, weil sich zu wenig Teilnehmer fanden, mag sein, dass noch ganz andere Dinge eine Rolle spielten.

Der 23. Juni, „seit Jahrhunderten ein Freudentag der Bornstedter Jugend“, wie das Tageblatt es ausdrückte, blieb ein besonderes Datum. „Schon am Tage vorher sammeln die größeren Schulkinder Brennmaterial“, erfahren wir und, dass es vielfach „vorher gefällte Dornen“ seien, die da für Johannisfeuer auf dem Kirchberg aufgeschichtet wurden. Sobald es dämmert, wurde der Haufen angezündet, und die jungen Leute schwenken nun „Besen und Teerfäßchen“, wie es wohl schon vor Jahrtausenden üblich war.

Eine uralte Kultstätte

Der Kirchberg gilt als uralte Kultstätte. Um das Jahr 1820 sah man hier noch Grundmauern: „66 Fuß, rund 20 Meter lang und 51 Fuß, fast 16 Meter tief; das andere 42 und 27 Fuß; das ist zuerst die Betstätte unserer Vorfahren gewesen“, schrieb das Tageblatt und fügte hinzu: „Daneben brannten sie jedesmal am 23. Juni zur Sommersonnenwende das Baldurfeuer ab.“

Als im 8. Jahrhundert Hersfelder Mönche das Christentum nach Bornstedt brachten, errichteten sie auf der Kultstätte eine Kirche und nannten den Berg Kirchberg, das Baldurfeuer hieß Johannisfeuer. Wann es zum letzten Mal zu sehen war, ist nicht überliefert. Doch am 23. Juni 1914 brannte es nicht allein über Bornstedt. „Überall auf den Höhen erglühten die Johannisfeuer“, berichtete das Tageblatt und fuhr fort: „Auf dem Hornburger Rücken brannte das Bornstedter Feuer, auf dem Kuckenberge an der Burgleite, brannten das Holdenstedter und Beyernaumburger. Auf der Südseite setzte die Lichterreihe bei Sittichenbach ein und endete bei Allstedt.“ (mz/bz)