Verbotene Gipfelstürme
EISLEBEN/HETTSTEDT/MZ. - Wer buckelt ein vier Meter hohes Holzkreuz auf einen 145 Meter hohen Berg? Gipfelstürmer im sportlichen Sinne sind das nicht. Und erlaubt ist das schon gar nicht, wenn es sich - wie in diesem Fall - beim Berg um die Abraumhalde "Hohe Linde" handelt. Das Kreuz auf der denkmalgeschützten Halde bei Sangerhausen wurde inzwischen wieder entfernt. Das Problem der illegalen Haldenbesteigung bleibt.
Vor allem für die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben mbH (GVV) mit Sitz in Sondershausen, die sich um die Relikte des Kupferschieferbergbaus im ehemaligen Mansfeld-Kombinat kümmert. Was diesen oder jenen Spaziergänger möglicherweise noch verwundert, versetzt die zuständigen Mitarbeiter nicht mehr sonderlich in Erstaunen. "Immer wieder gibt es illegale Begehungen oder sogar Befahrungen", sagt Claus Focke, der für die Region zuständige Mitarbeiter der Gesellschaft.
Er verweist auf zahlreiche Radspuren an den Haldenböschungen, die von diesem zweifelhaften "Freizeitvergnügen" künden. Selbst die Warnung "Betreten verboten, Lebensgefahr!" schreckt nicht ab. Wie gefährlich solche Touren auf die Halden sein können, hat sich im vergangenen Jahr gezeigt, als ein 38 Jahre alter Hettstedter zu Pfingsten versuchte, mit seinem Motorrad die Haldenspitze des Eduard-Schachtes zu erklimmen.
Wagemutig steuerte der Mann damals mit seiner Crossmaschine bei 80 Prozent Gefälle auf eine Schanze zu und hob dann ab. Dabei verlor er die Gewalt über seine Maschine. Der Mann wurde durch die Luft geschleudert und prallte nach etwa zehn Metern mit der Schulter gegen einen Baum. Wegen des steilen Geländes gestaltete sich die Bergung des Schwerverletzten äußerst schwierig. Feuerwehrleute mussten ihn abseilen. Mit dem Rettungshubschrauber wurde er in ein Krankenhaus nach Halle geflogen.
Solche schweren Unfälle hat es an der Halde bei Sangerhausen noch nicht gegeben. Das vier Meter hohe Holzkreuz, das Anfang März durch Unbekannte auf dem Plateau der "Hohen Linde" errichtet wurde, ist der bisher spektakulärste Verstoß. Sogar ein "Gipfelbuch", wie es in den Bergen üblich ist, gibt es. Dem ist laut Focke zu entnehmen, dass dieses Kreuz allein in einer Woche etwa 20 Personen auf die Halde gelockt hat. Die illegalen Haldenbesteiger haben sich dort allerdings nur mit Vornamen verewigt.
"Diese Entwicklung ist für die GVV nicht hinnehmbar", sagt Focke. Es wurde Strafanzeige gegen Unbekannt wegen unbefugten Betretens und Errichten eines Bauwerkes auf dem Eigentum der Gesellschaft erstattet. Das Holzkreuz wurde demontiert und sichergestellt. Gleichwohl will die GVV die Halde nicht gänzlich sperren. Die Gipfeltouren im Frühjahr und im Herbst, die inzwischen zur Tradition geworden sind, sollen beibehalten werden. Dabei arbeitet man eng mit dem Bergbaumuseum Wettelrode zusammen, das diese Haldenaufstiege veranstaltet.
Bei dem jüngsten Fall mit dem Kreuz sei der Bogen überspannt worden, "illegale Handlungen können nicht geduldet werden", sagt Focke, der die Bergakademie Freiberg absolviert und in der Markscheiderei des Mansfeld-Kombinats gearbeitet hat. Bis zum Jahr 2000 war er in Niederröblingen auf dem Schacht, von wo ihn sein Weg nach Sondershausen führte.
Ob die GVV mit ihren Abschreckungsmaßnahmen Erfolg hat, ist fraglich. Die Anziehungskraft der "Hohen Linde" scheint ungebrochen zu sein, denn die Bergbau-Nachfolgegesellschaft schlägt sich mit diesem Problem schon seit Jahren herum. Man könne weder um die "Hohe Linde" noch um die anderen weit mehr als 100 Halden in der Region Zäune ziehen, um illegale Besteigungen oder Befahrungen zu verhindern, räumt Focke ein. Auch die Schilder, auf denen steht, dass das Betreten der bergbaulichen Anlagen verboten ist, werden immer wieder zerstört.