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Puppen-Stoff aus Malawi

Von Hans Paduch 10.12.2007, 18:23

Bischofrode/MZ. - Und das alles hat mit dem recht ungewöhnlichen Hobby der 68-Jährigen zu tun. Rund ein Dutzend Jahre ist es her, da hat Frau Günthner während eines Urlaubs im Taunus ihr Herz für Puppen entdeckt. Nicht nur für die Puppen an sich, sondern auch für ihre Herstellung.

Und so hatte sie am vergangenen Wochenende ihre Wohnung für Interessenten weit geöffnet und ließ auch mal einen Blick in ihr Atelier zu, das auch verriet, dass Erika Günther nicht nur Puppen, sondern auch Teddys und noch viele andere kunsthandwerkliche Dinge herstellt. "Aber die Puppen haben mich regelrecht gefangen genommen und faszinieren mich auch heute noch ungemein", sagt sie. Ihre damals selbst gefertigte erste Puppe hat sie heute noch. Inzwischen sind jede Menge und weitaus schönere hinzugekommen. Aber "Baby Anne", wie ihr Erstlingswerk heißt, hat einen Ehrenplatz zwischen den anderen 70 großen und mehr als 100 kleinen Puppen und etwa 50 Teddys. "Alle selbst gemacht", versichert Frau Günthner.

Aber das "selbst gemacht" hört sich leichter an, als es getan ist. Da steckt viel Mühe und Geschick dahinter und jede Menge Arbeit. Das ist sicherlich nicht der Hauptgrund dafür, dass Erika Günthner ganz konsequent sagt: "Meine Puppen verkaufe ich nicht." Obwohl sie damit eigentlich einen "schönen Pfennig" Geld machen könnte. Aber es scheint, dass sie ihre Puppen einfach zu gern hat und sie nicht in anderen Händen wissen möchte. Denn sie alle sind auf ihre Art einmalig. Da ist die jüngst entstandenen Afrikanerin, die regelrecht Eleganz und Schönheit abstrahlt. Die Kleider hat Frau Günthner aus Stoff genäht, der aus Malawi stammt. Sie hat ihn von einer Bekannten ihres Schwagers, die von dort stammt und nach Deutschland geheiratet hat.

Auch eine Indianerfamilie ist neu in der wohl einmaligen Sammlung. Und auch hier original "Zubehörteile". So tragen die Puppen echten Schmuck aus Oklahoma. Günthner hatte einer Bekannten ein Foto dieser Puppen in die USA geschickt. Und nach einem Anruf aus den Staaten in Bischofrode kam auch prompt der Schmuck per Post. Und sogar die Stachelschweinborsten im Kopfschmuck des Puppenmannes sind echt. "Die hat mir Doris Bagenda aus Afrika mitgebracht."

Aber die eigentliche Arbeit steckt unter den schönen Puppenkleidern. Sie beginnt mit einer zähflüssigen Porzellanmasse, die sie in eine Form gießt. 15 verschiedene hat die Puppenmutter davon. Und die sind nicht billig. "Sie werden von Künstlern entworfen und haben alle ihren eigenen Modellnamen", erläutert Frau Günthner. Eine Form koste etwa 500 Euro. Ist die Porzellanmasse einmal in der Form, bleibt sie fünf bis sechs Minuten drin. In dieser Zeit bildet sich die so genannte Lederhaut in der Form. Die Restmasse wird wieder ausgegossen und nach drei Stunden die zwei Halbschalen der Form abgenommen. Der so entstandene Rohling wird dann bei 1230 Grad mehrere Stunden gebrannt und muss dann im Ofen zwölf Stunden abkühlen.

Dann sind noch zwei weitere Brenngänge bei 750 Grad nötig, ehe zum Beispiel der Kopf auch die entsprechenden Farben hat. Und da eine Puppe neben dem Kopf auch Arme, Beinen und die Schulter- Brustplatte aus Porzellan hat, ist das alles für diese Teile ebenfalls notwendig. Mehr als eine Puppe passt aber nicht in den Brennofen. Dann muss Frau Günthner noch den Körper aus Nessel nähen und mit Füllwatte ausstopfen, ehe daran dann die Porzellanteile angebracht werden. "Und dabei müssen auch die Proportionen stimmen", erklärt sie. Schließlich bleibt noch die Puppenkleidung, die sie zum größten Teil selbst näht.

Einzig die Perücken und die Augen kauft sie fertig. Eine mühevolle Arbeit also. "Für eine 80 Zentimeter große Puppe brauche ich so an die 60 Stunden." Da kann man verstehen, dass Erika Günthner an ihren Puppen hängt. "Wenn einem ihrer Gäste eine der Puppen besonders gut gefällt und er sie unbedingt haben möchte, dann stellt sie lieber eine neue, gleichartige her.

Und neben Puppen entstehen unter ihren geschickten Händen noch Plüschteddys, Kalender mit unterschiedlichen Bildmotiven oder zur Zeit Weihnachtsschmuck aus Salzteig. Die Serviettentechnik beherrscht sie ebenfalls. Erst am Freitag vergangener Woche war sie im Helbraer Kinder- und Jugendhaus und hat mit den Kindern gebastelt. Aber es kommen auch Leute zu ihr, so Birgit Hesse mit ihren drei Enkelkindern, mit denen sie ebenfalls Salzteigschmuck zum Weihnachtsfest hergestellt hat.

"Ich bin viel und gern unterwegs, um mit Kindern zu basteln", sagt sie. Und da sie sich nicht von ihren Puppen trennen will, muss Ehemann Rainer, er ist auch als Alleinunterhalter unterwegs, regelmäßig etwas zur Puppenkasse seiner Frau zuschießen.