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Generalprobe am Eisleber Theater Publikum durfte bei der Komödie „Kalter, weißer Mann“ einen Blick hinter die Kulissen werfen

Die Komödie „Kalter, weißer Mann“ gewährte in einer öffentlichen Generalprobe Einblicke in den Schaffensprozess am Theater. Hier wurden noch letzte Fragen vor der Premiere beantwortet.

Von Grit-Beate Eisenberg 03.12.2024, 15:00
In der Komödie „Kalter, weißer Mann“ am Theater Eisleben wird auf der Bühne  eine Trauerfeier inszeniert.
In der Komödie „Kalter, weißer Mann“ am Theater Eisleben wird auf der Bühne eine Trauerfeier inszeniert. (Foto: Grit-Beate Eisenberg)

Eisleben/MZ. - Wer noch nie eine öffentliche Generalprobe besucht hat, hat am Freitagabend im Eisleber Theater etwas verpasst. Denn dort erhielt man auf der Foyerbühne die Gelegenheit, die Schauspieler beim Feintuning ihrer Rollen für das Stück „Kalter, weißer Mann“ von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob am Vorabend der Premiere zu beobachten.

Eine Generalprobe ist ein höchst angeregter, kreativer Prozess. Alles ist bereit. Aber wie wirkt es auf die Gäste? An welchen Stellen lacht der Zuschauer? Versteht er die Pointe? Stimmt das Timing? Was muss beziehungsweise kann noch geändert werden? Fragen über Fragen.

Theater Eisleben gibt dem Publikum einen Blick hinter die Kulissen

Für die Zuschauer bieten sich dabei ganz interessante Möglichkeiten, denn bei genauem Beobachten kann er ein Stückchen hinter die Kulissen schauen: Da ist zum Beispiel die Schauspielerin Annette Baldin. Interessant, wie sie die Figur der Sekretärin Rieke Schneider entwickelt: Sehr überzeugend vom anfänglichen Naivchen, das scheinbar gar nichts versteht und permanent nervt, zum ordnenden Ruhepol, der am Ende ein ergreifendes „Swing Low, Sweet Chariot“ zum Besten gibt.

Oder Christopher Wartig, dem die fürchterlichen, cholerischen Ausbrüche des Geschäftsführers in spe, Horst Bohne, sehr gut gelungen sind. Wie viel Energie man sich auch immer für diese Kombination aus Wut, Ärger, hohem Sprechtempo und Textsicherheit am Ende eines Stückes aufheben muss – hier ist die Rechnung richtig gut aufgegangen. Einmal mehr hat das Ensemble des Eisleber Theaters gezeigt, wie akzentuiert und mit welcher Spielfreude es Stoffe umsetzen kann. Regisseur Sebastian Wirnitzer hat ganze Arbeit geleistet.

Annette Baldin (links) und Ida Karoline Dobrenz während der Generalprobe.
Annette Baldin (links) und Ida Karoline Dobrenz während der Generalprobe.
(Foto: Grit-Beate Eisenberg)

Gendern, Sexismus, politische Korrektheit, LGBTQIA+ oder Machtmissbrauch auf der Bühne

Im Stück selbst geht es um zahlreiche aktuelle Themen wie Gendern, Sexismus, politische Korrektheit, LGBTQIA+ oder Machtmissbrauch, die hier geschickt verarbeitet werden. Wie weit darf man gehen, um einen Shitstorm auf Social Media zu verhindern oder die schrillsten Fotos zu schießen?

Ist alles erlaubt, was nicht verboten ist? Kevin (Tom Bayer) zum Beispiel stolpert beim Daddeln auf dem Handy die Treppe hoch, überwacht und kommentiert das Ereignis auf Social Media in Echtzeit, filmt und fotografiert dazu, unterbricht mit diversen Klingeltönen und macht wirklich alles, um zu stören.

Der Pfarrer wird bei der Trauerrede mit „Entschuldigung, ich wollte auch mal was sagen“, unterbrochen. Was tun und tolerieren wir, um Likes zu erhalten? Ist das Handy des Menschen inzwischen unantastbar geworden?

„Kalter, weißer Mann“ spielt mit alltagsrelevanten Themen

An den Wänden sind die Stationen des Kreuzweges Jesu angebracht. So ist dieser Jesus diesmal tatsächlich mit im Theater. Hier wird gezeigt, dass man auch in einer Komödie respektvoll mit kirchlichen Themen umgehen kann, ohne Witzigkeit einzubüßen.

Vielleicht sind die Dinge am Ende ganz anders als sie ursprünglich erschienen? Womöglich ist die taffe Alina (Ronja Jenko) der wahre „kalte, weiße Mann“, „nur eben jünger und mit Vagina“, wie Social-Media-Experte Kevin es ausdrückt.

Mit scharfzüngigen, schnellen Dialogen und viel Wortwitz ist „Kalter, weißer Mann“ sehr nah am Puls der Zeit. Es geht um die Fragen, die alltagsrelevant sind und irgendwie jeden betreffen, der Medien nutzt. Man hat den Mut, sich Themen zu nähern, bei denen das Lachen fast schon verboten schien, wo Leichtigkeit durch Enge ersetzt wurde und ein gefühlt fast schon gesamtgesellschaftliches Beleidigtsein einsetzte.

Bühnenstück regt zum Nachdenken an

Mit der Inszenierung dieses Stückes ist es nun erfreulicherweise gelungen, genau diesen „Bann“ zu brechen und einen Raum für einen gemeinsamen, wohlwollenden Austausch zu suchen und zu finden – ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Zuhören statt verurteilen.

Die Dinge mit den Augen des anderen betrachten, um zu verstehen. Voneinander lernen, anstatt sich für den Nabel der Welt zu halten. „Kalter, weißer Mann“ regt zum Nachdenken an und lädt ein, in einen gesellschaftlichen Diskurs einzusteigen.

Es ist fast schon ein wenig wie Anfang der 1990er Jahre: Die neue Entwicklung aktiv mitgestalten, anpacken und Aufbruchsstimmung statt Resignation verbreiten.

Der große Beifall zeigte bereits am Ende der Generalprobe, dass die Inszenierung beim Publikum sehr gut ankommt.