Mit Glockengeläut das Taschengeld aufgebessert
HETTSTEDT/MZ. - 24 Damen und Herren mittleren Alters hatten sich am Wochenende in der Hettstedter St.-Jakobi-Kirche eingefunden, um gemeinsam ihre diamantene beziehungsweise goldene Konfirmation mit einem feierlichen Gottesdienst und Posaunenmusik zu begehen. Anschließend fanden sich die acht Diamant- und die 16 Goldkonfirmanden im Gemeinderaum der Kirche zu einem gemütlichen Kaffeetrinken mit Pfarrer Sebastian Bartsch ein.
"Es war eine sehr schöne Feier, an der ich gern teilgenommen habe", erklärte Karl-Heinz Kriegelstein, der aus Schwerin angereist war. Nicht nur diese Feier, sondern auch die Sehnsucht, alte Freunde und Klassenkameraden wiederzusehen habe ihn zu der doch recht weiten Reise veranlasst, denn, so meinte der Jubilar "viele habe ich seit meinem Abgang in der 10. Klasse nicht wieder getroffen".
Mit der Jakobikirche verbindet ihn auch noch eine andere Erinnerung: Vom 15. bis 17. Lebensjahr habe er unter Aufsicht des damaligen Kirchendieners Otto die Glocken geläutet und damit sein Taschengeld aufgebessert. Der jetzige Altersrentner war zunächst Ingenieur geworden, war viele Jahre zur See gefahren, hatte in der Nachwendezeit noch einmal die Schulbank gedrückt, um Betriebswirtschaft und Sozialmanagement zu studieren. Bis zum Rentenalter war er dann in einer Integrationsfirma für Schwerbehinderte tätig. "Aber Hettstedt und die Jakobikirche habe ich nie vergessen."
Ingrid Rabsch, geborene Zwarg, jetzt wohnhaft in Dormagen, erinnert sich an die schwere Zeit der Konfirmation vor 60 Jahren. "Kleider hatten wir aus gefärbten Bettlaken, und ich musste Großmutters Schnürstiefel anziehen, von denen man die hohen Absätze abgeschnitten hatte - das war hart." Natürlich sei auch damals noch das Essen recht knapp und wenig vielseitig gewesen. Aber die Schule habe viel Spaß gemacht - und man habe auch oft die Lehrer geärgert. Als ihr mal einer riet, sie solle ins Land gehen wo der Pfeffer wächst, nahm das die damals Elfjährige fast wörtlich: Sie lief aus dem Klassenraum mit dem Ruf "Ich gehe jetzt dahin, wo der Pfeffer wächst." Aber Russisch habe sie gern gelernt und vor einigen Jahren über die Restkenntnisse gestaunt, die sie bei einer Reise nach Russland anwenden konnte. Die spätere Kindergärtnerin ging 1957 "in den Westen", ließ sich zur Fußpflegerin ausbilden und arbeitet, seit sie Rentnerin ist, in der Obdachlosenhilfe.
Vor 50 Jahren sei es einfacher gewesen, für Essen und Trinken oder Kleidung zu sorgen, blickt Goldkonfirmandin Sigrid Rott, geborene Reich, aus Berlin zurück. Doch habe es ihre Mutter schwer gehabt, als Alleinerziehende zwei Kinder groß zu ziehen. "Da wurden die Sachen für mich aus der Kleidung meiner Schwester eben kleiner gemacht oder gewendet".
Ein kleines Konzert unter Leitung von Kantor Detlef Ochs beendete das Fest, doch noch lange saßen viele ehemalige Konfirmanden in eifrigen Gesprächen zusammen, und oft hieß es: Weißt Du noch?