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Mansfelder entsetzt über Verbrechen

Von Wolfram Bahn und Ronald Dähnert 01.07.2008, 17:25

Mansfeld/MZ. - Heike N. kann es immer noch nicht fassen, was nur wenige Meter weiter von ihrem Wohnhaus passiert ist. "Es ist unbegreiflich", murmelt die 44-jährige Frau vor sich hin. Sonst hat sie immer die Türen zum Haus offen gelassen, aber seitdem in der Nacht zum Montag das rätselhafte Verbrechen geschah, nimmt sie ihren Hofhund mit in die Wohnung.

Ihr ganzes bisheriges Leben hat sie in der Waldsiedlung verbracht, doch dass der Ort einmal der Schauplatz einer grausamen Bluttat werden sollte, das hätte sie sich nicht in den schlimmsten Träumen ausmalen können. "Er war doch so ein netter Mann", sagt sie über Dr. Horst Grimm, der auch ihr Hausarzt gewesen ist. "Ich hoffe, sie kriegen den oder die Täter bald."

Zumindest einen Tatverdächtigen hat die Polizei seit Dienstag im Visier. Es ist der 36-jährige Gabor Torsten Sprungk aus Friedrichrode, einem kleinen Ort, der nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt liegt. Er soll zuletzt in Mansfeld gewohnt haben und ist in der Region als Schwerkrimineller bekannt.

Warum ausgerechnet der Arzt und die alte 76-jährige Frau, die eher zurückgezogen lebte, Opfer eines Verbrechens wurden, das beschäftigt nicht nur die Bewohner der Waldsiedlung, die zu einer früheren Dynamitfabrik gehörte.

Mitbekommen hat offenbar keiner etwas. "Wir haben doch alle das Fußball-Endspiel geguckt", berichtet ein junger Mann. Auch Schüsse oder Schreie haben man nicht gehört. Erst, als am Montag ein Polizeihubschrauber über den Dächern auftauchte, wurden sie stutzig.

Unterdessen haben sich die zwei in Mansfeld praktizierenden Berufskollegen des ermordeten 64-jährigen Arztes bereit erklärt, dessen Patienten mit zu betreuen, bis eine Lösung für die verwaiste Praxis gefunden ist. Der Patientenansturm sei schon größer geworden, bestätigt die Allgemeinmedizinerin Dr. Roswitha Kögler, die in den zurückliegenden Jahren die Urlaubsvertretung von Dr. Grimm übernommen hatte. "Heute waren Himmel und Menschen im Wartezimmer", so die Ärztin, die gleich anfügt: "Wir nehmen die Mehrbelastung auf uns, das sind wir unserem ermordeten Kollegen schuldig."

Mehr als die zusätzlichen Patienten belastet Dr. Kögler aber die Tatsache, das sie in dieser Woche auch noch Bereitschaftsdienst hat. Sie gehe ohnehin oft mit einem "mulmigen Gefühl im Magen" zu Patienten, die sie aus ihrer Praxis nicht kennt. "Man weiß nie, was einem bei einem Hausbesuch erwartet", sagte die Medizinerin der MZ.

Das bestätigt Dr. Thomas Schein, Allgemeinmediziner und Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Bereich Hettstedt, zu dem Mansfeld gehört. Der von der Todesnachricht noch sichtlich geschockte Arzt kennt schwierige Situationen zur Genüge. Oftmals seien Patienten, zu denen er während des Bereitschaftsdienstes gerufen wird, "stark alkoholisiert oder psychisch krank". Da habe er bereits haarsträubende Erlebnisse gehabt, so Schein. Nach dem Verbrechen in Leimbach muss nach seiner Meinung das "System überdacht werden". Es gehe nicht an, dass Kollegen alleine und ohne jeden Schutz zu Noteinsätzen fahren müssen. Es sei an der Zeit, "gemeinsam mit den Krankenkassen nach anderen Lösungen zu suchen", so der Sprecher der Ärzte. Seite 1 und 3.

Zum Gedenken an die Opfer der Bluttat haben die evangelische Kirchengemeinden Mansfeld und Leimbach für Samstag um 19 Uhr zu einer Abendandacht eingeladen.