Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Tödlicher Internet-Flirt
SAURASEN/Halle (Saale)/MZ. - Vier Tage lang hat die Polizei zum Jahresende 2007 im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet nach Maria K. gesucht. Boote mit Leichenspürhunden fuhren den Rhein von Dippoldsau im Kanton St. Gallen bis zur Mündung in den Bodensee ab. Dort, im Rheintal, war sowohl auf Schweizer als auch auf deutscher Seite zum letzten Mal das Handy der vermissten Verkäuferin aus Rotkreuz (Kanton Zug) geortet worden. Ganz in der Nähe, in Altstätten, hatte zuletzt auch Gabor S. gewohnt, der inzwischen verurteilte Doppelmörder von Mansfeld.
Das Schicksal der 47-Jährigen aber blieb ungeklärt, die aufwändige Suche erfolglos. Dabei ahnten die Ermittler schon, dass die alleinerziehende Mutter nicht mehr am Leben ist, dass ein Internet-Flirt ihr wohl zum Verhängnis wurde.
Inzwischen ist auch das letzte Stück Gewissheit da: Nachdem Forstarbeiter am 9. Februar in einem Waldstück an der B 242 zwischen Rammelburg und Saurasen skelettierte Leichenteile gefunden haben, ergaben DNA-Untersuchungen eindeutig, "dass es sich um die seit 2007 vermisste Schweizerin Maria K. handelt", teilte die Polizei am Freitag mit. Zweifel hatten die Ermittler zuvor offensichtlich ohnehin kaum noch - in einer Schweizer Einkaufstüte soll ein Frauenkopf gesteckt haben. Und das ganz in der Nähe des Heimatortes von Gabor S., Friedrichrode, und seines letzten Wohnortes Mansfeld. Konnte das wirklich noch Zufall sein?
Inzwischen laufen in der halleschen Rechtsmedizin die Untersuchungen zur Todesursache. Kein leichtes Unterfangen, nach Jahren sind die Leichenteile durch die Witterung und Tierfraß in einem schlechten Zustand. Unklar ist auch noch, wo die Frau ums Leben kam. "Das Waldstück kann der Tatort sein, muss es aber nicht", sagt der hallesche Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck. Gegen Gabor S. werde wieder wegen des "Verdachts der vorsätzlichen Tötung ermittelt". Und auch die Schweizer Kollegen hoffen, nun endgültig herauszufinden, was genau damals passiert ist.
Zeugen eines letzten Treffens
Der Vermisstenfall Maria K. begann im Sommer vor vier Jahren in Rotkreuz. Die 47-jährige Kaufhaus-Kassiererin hatte über Internet Gabor S. kennen gelernt. Eine Freundin, so Schweizer Medien später, soll sie noch davor gewarnt haben, sich mit ihm zu Hause zu treffen. Weil sie ihn erst kurz und eben nur aus dem Internet kannte. Als ihr getrennt lebender Ehemann am 24. Juni 2007 den gemeinsamen zehnjährigen Sohn brachte, war Maria K. nicht da. Sie erschien am nächsten Tag nicht zur Arbeit. In ihrer Wohnung sollen leere Weingläser und zwei Espresso-Tassen auf dem Tisch gefunden worden sein - letzte Zeugen eines Treffens.
Der mittlerweile verurteilte Doppelmörder von Mansfeld geriet schon damals in Verdacht. Er hatte die Schweiz überstürzt verlassen - ohne die Wohnung in Altstätten zu räumen, wie seine Vermieterin erzählte. Er hatte mit der EC-Karte der Vermissten in Deutschland eingekauft, wurde unter anderem dafür im April 2008 in Halle zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt. Gabor S. aber bestritt energisch, etwas mit dem Verschwinden der Frau zu tun zu haben.
Im Juli 2008 wurde der heute 39-Jährige Kfz-Schlosser in einem Biergarten in der Schweiz festgenommen - wenige Tage zuvor hatte er im Mansfelder Ortsteil Leimbach eine Rentnerin und einen Arzt ermordet, um angesichts seiner anstehenden Haftstrafe mit Geld und Auto der Opfer in die Schweiz zu fliehen. Dort gestand er neben dem Doppelmord dann plötzlich auch, die Leiche von Maria K. in den Rhein geworfen zu haben.
Abenteuerliche Geschichte
Seine Geschichte aber klang abenteuerlich: Sie handelte von einem Streit im Auto, davon, dass die Rotkreuzerin ihn zum Anhalten aufgefordert und dann - mitten auf der Autobahn in Richtung St. Gallen - plötzlich die Tür aufgerissen haben und aus dem Fahrzeug gefallen sein soll. Sie sei schon tot gewesen, als er zurückkam, sagte S. aus.
Die Hoffnung, wenigstens eine Leiche zu finden, hatten die Schweizer Ermittler da fast schon aufgegeben. Eine neue Suche im Rhein wäre "die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", sagte eine Mitarbeiterin der Zuger Strafverfolgungsbehörden nach dem Teilgeständnis von Gabor S. Wenn dessen Geschichte gestimmt hätte, hätte die Leiche längst in den riesigen Bodensee getrieben worden sein können. Heute ist klar: Der Doppelmörder hat die Behörden gefoppt, die Leiche im Rhein war ein Ablenkungsmanöver.
Ob er jetzt die ganze Wahrheit erzählen wird? Noch steht laut Staatsanwaltschaft nicht fest, wann der 39-Jährige vernommen wird. Gabor S. verbüßt derzeit in einer Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg eine lebenslange Haftstrafe. Der Mann mit dem silber gewellten Haar, der sich so gern als Frauenliebling sieht, hat viel Zeit, um ein Buch über den Klimawandel zu schreiben, wie er es dem Richter am halleschen Landgericht noch kurz vor seiner Verurteilung großspurig in einem Brief angekündigt hatte. Dass er ein solches Werk jemals in einer Buchhandlung zu sehen bekommt, darf bezweifelt werden: S. wechselt nach seiner Haftstrafe erst einmal nur das Gebäude der JVA, wird aber in der Festung hinter sechs Meter hohen Mauern und Stacheldraht bleiben. Das Gericht hatte ihn bereits zu anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Daran, dass er gefährlich und gefühllos ist, gab es keine Zweifel.