Kneipentour fällt aus Kneipentour fällt aus: Wirt betrachtet die Gastronomieszene mit Sorge

Eisleben - „Früher haben wir hier großartige Partys gefeiert“, sagt der Eisleber Gastronom Oliver Gill, auf einem Barhocker sitzend, und denkt mit Wehmut an alte Zeiten in seiner Bar „Liebevoll“ zurück. Denn die Gegenwart sieht anders aus: „Die großen Kneipenzeiten sind vorbei“, so der 43-Jährige. Darum wird er nach zwölf Jahren Barbetrieb einen Schlussstrich ziehen und das „Liebevoll“ im Jüdenhof Ende Juli schließen. Und für die Eisleber Kneipentour, die Gill alljährlich mit anderen Wirten organisiert hat, erklärt er zugleich: „Sie findet in diesem Jahr nicht statt.“
Kneipentour: Anfangs beteiligten sich 13 Lokalitäten
Dass der zehnte Geburtstag der Kneipentour im August ausfällt, darauf habe er sich mit den anderen Gastronomen verständigt. „Höchstens fünf Kneipen würden sich noch beteiligen. Da kann man nicht mehr von einer Tour reden“, konstatiert Gill. Er war 2009 einer jener Gastwirte, welche die Kneipentour aus einem mehrjährigen Dornröschenschlaf weckten. Anfangs beteiligten sich 13 Lokalitäten. Nach und nach zogen sich Gastwirte zurück. „Vor allem durch Schließungen“, so Gill, der bei seiner Bar besonders in den letzten zwei Jahren einen Abwärtstrend gespürt habe: „Die ersten Jahre waren grandios. Ich hatte sieben Tage die Woche geöffnet und es war immer voll. Jetzt habe ich noch drei Tage in der Woche geöffnet und die schleichen so dahin.“
Wirt: „Reine Bars oder Kneipen haben es im ländlichen Bereich schwer“
Die Entwicklung, die sich im Bar- und Kneipenleben und auch im Handel in Eislebens Innenstadt in den vergangenen Jahren vollzogen hat, „macht mir ein bisschen Angst“, sagt der Gastwirt. Die Frage, was in zehn Jahren noch da sein werde, stelle er sich oft. „Ich denke, da wird Eisleben ein Dorf sein“, meint er. Für die Jugend sei die Stadt schon jetzt nicht mehr sehr attraktiv. Eisleben sei da aber kein Einzelfall. „Reine Bars oder Kneipen haben es im ländlichen Bereich ziemlich schwer“, so Gill. Die demografische Entwicklung spiele da beispielsweise eine Rolle, es sei immer schwieriger, Leute hinter dem Ofen vorzulocken. Die Entscheidung, seine Bar „Liebevoll“ zu schließen, hat sich der 43 Jahre alte Eisleber nicht leicht gemacht, wie er sagt. „Es sind schon Tränen geflossen, bei mir und dem Personal. Aber was soll ich machen, wenn es nicht mehr läuft. Als Gastronom muss man davon leben können.“ Gill setzt nun auf seine anderen Geschäftsbereiche, etwa das Café „Glücklich“ am Markt. „Das bleibt und läuft gut“, sagt er. Außerdem will er seinen Cocktailwagen vermehrt einsetzen. „Ich kann mir vorstellen, damit Touren zu machen.“
Am 21. Juli soll es im „Liebevoll“ eine große Abschiedsparty geben
Am 21. Juli soll es im „Liebevoll“ eine große Abschiedsparty geben. „Da lassen wir es noch mal krachen“, sagt Gill, der dann zum Ende des Monats die Räume an Ronny Jagla übergibt. Dieser eröffnet Anfang August einen Pub, allerdings nicht unter dem Namen „Liebevoll“. Dennoch wird Gill Jagla unterstützen, damit eine Kneipenszene erhalten bleibt, wie er sagt.
Einen Betreiberwechsel hat es Anfang dieses Monats auch im „Molotow“ gegeben. Sascha Schettler hat den Betrieb an Janice Weber übergeben. Liefen die Geschäfte schlecht? „Nein“, sagt Schettler. Er habe sich beruflich neu orientiert. (mz)