Hexen mit Hakennasen eroberten den alten Turm
HETTSTEDT/MZ. - Und wo konnte das besser statt finden als im auch "Hexenturm" genannten Gebäude?
Oberhexe war Gudrun Verges aus Blankenburg, die aus Goethes "Faust" zitierte oder Überraschendes und Informatives aus der Harzregion zum Besten gab. Leicht verändert gab sie die Szene aus dem "Faust" wieder, in der es Mephisto gelang, den alternden Faust zum Preise seiner Seele in einen wieder jungen, dynamischen und liebesfähigen Mann zu verwandeln. Eine halbe Seele holte sich die Ober-Brockenhexe von einer Zuschauerin, die dafür bei dem Zitat von Goethes Hexeneinmaleins aus Dr. Faustus einen Erhaltungstrank aus der Hexenküche erhielt, der ihr ewige Jugend versprach, Rezepte zur Erhaltung des Ehefriedens oder gegen böse Feinde gab es gratis dazu, wie auch die sehr plastische Schilderung der Walpurgisnacht nach Heinrich Heine.
Die Frage, wie man zu der Meinung kam, dass Hexen sich mit Hilfe eines Besens durch die Luft bewegen können, wurde auch geklärt: Die schönsten, ungewöhnlichsten und klügsten Frauen seien im Mittelalter als Hexen benannt worden - oft aus Neid oder Eifersucht. Und wenn sie noch Kenntnisse heilender Kräuter hatten, war ihnen der Scheiterhaufen so gut wie sicher, obwohl man ihre Kenntnisse im Bedarfsfall gern aber heimlich nutzte. So seien diese Frauen oft heimlich bei Nacht zum Gedankenaustausch zusammengekommen, saßen ums Feuer und tranken sich in Trance - da meinten sie zu fliegen. Und so sei die Mär von den fliegenden Hexen entstanden, denn wenn sie gefangen genommen und gefoltert wurden, vermischte sich in ihren erpressten Geständnissen Traum und Wirklichkeit.
Dass es heute nahe dem Brocken noch Berufe gibt, die es auch schon im Mittelalter gab, war nicht jedem Besucher bekannt: So gibt es nach wie vor die Holzfuhrmänner - und die Köhler. Dann klangen dumpfe Geräusche, die Böses erahnen ließen: Hexe Gudrun trug die Moritat vom zersägten Müller vor, optisch untermalt von schaurigen Bildern des mittelalterlichen Ereignisses: Der Müller habe gegen seinen Herrn opponiert - das solle man auch heute lieber lassen.
Mit viel Witz, Scharm und Temperament verstand es die "Hexe", das Publikum mitzureißen und in das Programm mit einzubeziehen. Und so erfuhren die Zuhörer auch etwas über die Frau, die hinter der perfekten Hexenaufmachung mit grünen Haaren, Plastik-Hakennase, Hexenkleid und -besen steckte: Gudrun Verges wurde in Hettstedt geboren, war Unterstufenlehrerin bis zu ihrem 61. Lebensjahr. Auch da hatte sie schon Spaß am Theaterspiel. Vor dem Hexenturm habe sie als Kind immer Angst gehabt, deshalb wollte sie hier gern einmal auftreten, denn seit fünf Jahren hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht und ist freischaffend tätig, jetzt tätig bei der Harzer Schmalspurbahn, wo sie als "Faustbegleiterin" die Touristen über das informiert, was sie bei den Faustaufführungen auf dem Brocken erwartet. "Und diese Arbeit macht mich glücklich", sagt die ambitionierte Entertainerin, und das merkt man ihrem Spiel an.
Mit Goethe hatte die Veranstaltung begonnen, mit einem Goethezitat, einer Mahnung an das Auditorium, endete die Veranstaltung unter großem Beifall: "Setz dir Perücken auf mit Tausenden von Locken - setz Deinen Fuß auf ellenhohe Socken - du bleibst doch immer der du bist."