Kirche in Hedersleben Glocken in der Kirche in Hedersleben: Läuten per Handy-App möglich

Hedersleben - Hört sich da vielleicht etwas anders an? Diese Fragen werden sich viele Kirchenbesucher in Hedersleben (Mansfeld-Südharz) am dritten Advents-Sonntag stellen. Denn an diesem Tag erklingen nicht nur zum ersten Mal die drei neuen Bronzeglocken, sondern auch die neue Läuteanlage hat Premiere.
Das Besondere: Das Läuten kann künftig über eine App mit dem Handy oder dem Laptop gesteuert werden. „Wir haben das schon ausprobiert, und es funktioniert“, erklärt Tobias Jäsch, Vorsitzender des Kirchbauvereins, der sich für den Erhalt der Dorfkirche einsetzt und auch das Glockenprojekt initiiert und finanziert hat.
„Es hat sich alles etwas hingezogen, aber nun haben wir endlich alle Hürden genommen“, freut sich Jäsch. Der engagierte Verein mit 15 Mitgliedern hat mit Hilfe von Spenden nicht nur das Gießen, sondern auch den Einbau der Glocken finanziert - insgesamt rund 25.000 Euro.
Die drei neuen Glocken „Dominica“, „Otto“ und „Sophia“ sind bereits 2013 in Passau gegossen worden. Ein Hederslebener Bürger hatte dem Kirchbauverein dafür eine größere Summe gespendet. Dass sich der Einbau erst einmal verzögerte, lag unter anderem daran, dass der Verein noch Geld sammeln musste. Außerdem waren die kirchlichen Bau-Experten zunächst unterschiedlicher Meinung, was die Aufhängung der Glocken betraf. Dabei ging es insbesondere um die Statik im Kirchturm.
Die Idee mit der ungewöhnlichen Steuerung per App ist im Verein entstanden. „Das ist natürlich extrem komfortabel“, sagt Dirk Seiferheld. Er stammt aus dem Nachbarort Dederstedt, ist Schatzmeister im Verein und seit 15 Jahren selbstständig in der IT-Branche tätig.
Sein Unternehmen bietet Computer- und Netzwerkservice an. Eine Glockensteuerung gehört freilich normalerweise nicht zu seinem Geschäftsfeld. „Da muss man sich schon etwas einarbeiten.“
Kirchenglocken in Hedersleben können per Computer oder Handy-App gesteuert werden - und notfalls per Hand
Basierend auf dem frei verfügbaren Programm FHEM (Freundliche Hausautomatisierung und Energiemessung) hat Seiferheld die Steuerung der Läuteanlage per Computer oder Handy-App programmiert.
Das System sei mit einer Firewall und einem Passwort gesichert, so dass nur Berechtigte - der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats und der Vereinsvorsitzende - die Glocken ansteuern können. Weil dafür auch vor Ort ein Internet-Zugang erforderlich ist, hat der Verein mit Parabolspiegeln eine ein Kilometer lange Richtfunkstrecke zum Kirchturm eingerichtet.
Später, so Seiferheld, sollen dann über das Programm noch weitere Funktionen gesteuert werden, wie die Außenbeleuchtung der Kirche, eine Wetterstation oder eine Webcam für das Dorf.
Das erste Läuten der drei neuen Bronzeglocken in Hedersleben wird anlässlich des Glühweinmarkts am dritten Adventssonntag, 11. Dezember, ab 15.30 Uhr, gefeiert. Zunächst gibt es einen musikalischen Festakt mit Pfarrerin Eva Kania in der Kirche St. Simon und Judas. Das Anläuten wird dann per Video aus dem Kirchturm auf eine Leinwand übertragen. Im Anschluss sind die Besucher zum Beisammensein mit Bratwurst vom Grill eingeladen. Die Kinder können basteln oder sich schminken lassen.
Für die insgesamt fünf Kirchenglocken sind verschiedene Läuteprogramme für alltags, sonntags sowie hohe Feiertage programmiert. Täglich um 12 und 18 Uhr erklingt eine Glocke, am Freitagabend und am Sonntag sind es zwei oder drei. Zu hohen Festen ertönt dann das Vollgeläut: die drei neuen und die alte große Kaiser-Wilhelm-Glocke von 1879.
Doch trotz aller moderner Technik hat die Gemeinde für den Notfall vorgesorgt: „Die Glocken können auch immer noch per Hand geläutet werden.“
Die Vernetzung der Haustechnik und ihre Steuerung per Smartphone - das Smart Home - gilt als Zukunftsbereich der IT, in dem Milliardenumsätze winken. Wie Tino Trautmann von der Glocken- und Turmuhrenfirma Beck aus Kölleda (Thüringen) sagt, seien per Handy-App steuerbare Läuteanlagen derzeit aber noch sehr selten.
Es gebe zwar mehrere Anbieter solcher Programme. „Aber die Kirchengemeinden halten sich da noch zurück“, erklärt Trautmann. Grund sei, dass in der Kirche ständig ein Internet-Zugang vorgehalten werden müsse. „Das ist natürlich eine Kostenfrage.“
Weiter verbreitet seien heute Funkfernbedienungen für Kirchenglocken. Dass bei der Sanierung oder Neuinstallation von Läuteanlagen meist eine Fernbedienung mit installiert werde, liege daran, dass es gerade in kleinen Orten oft keine ehrenamtlichen Küster mehr gebe oder die Gemeindemitglieder zu alt für diesen Dienst seien.
Polleben hat seine Kirchenglocken mit einer Fernbedienung versehen
So war es auch in Polleben, einem Nachbarort von Hedersleben. Die dortige Kirche ist gerade mit einer neuen Läuteanlage mit Fernbedienung ausgestattet worden. Bei einer Beerdigung auf dem anderthalb Kilometer entfernten Friedhof kann der Pfarrer aus der Ferne die Glocken in Gang setzen.
In Hedersleben sind derweil nun alle auf die Premiere gespannt. Das Anläuten wird dann per Video aus dem Kirchturm auf eine Leinwand übertragen. (mz)