Gedenken Gedenken: Eisleben erlebt Blutsonntag

eisleben/MZ - Die Sitzung des Stadtrates am Dienstag fand an einem besonderen Jahrestag statt. Die Vorsitzende des Stadtrates, Elke Krehan (CDU), erinnerte an den Eisleber Blutsonntag vor 80 Jahren, als nach einem Überfall von mehreren hundert Nazis auf die Friedrich-Ludwig-Jahn-Turnhalle und die KPD-Geschäftsstelle am Breiten Weg vier Tote zu beklagen waren.
Opfer eingekesselt
Am 12. Februar 1933 veranstalteten etwa 600 Nazis einen Propagandamarsch durch die Lutherstadt, um wenige Tage nach Hitlers Wahl zum Reichskanzler zu demonstrieren, wer jetzt das Sagen hatte. Der Marsch endete mit einem Blutbad. Die braunen Schläger um NS-Kreisleiter Ludolf von Alvensleben und den Gauleiter Rudolf Jordan an der Spitze, gingen stabsmäßig vor und griffen die Turnhalle und KPD-Büro von zwei Seiten an, damit keines ihrer Opfer entkommen konnte.
Die Täter gingen brutal und voller Hass zu Werke, ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit. Der Arbeitersportler Otto Helm wurde mit Feldspaten regelrecht zerhackt und der 19-jährige Hans Seidel von den Eindringlingen so übel zugerichtet, dass er wenige Tage später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlag. Nur langsam wurde in Eisleben das Ausmaß der Gewalt offenbar. Ein Toter und 29 Verletzte, lautete am Abend eine erste Bilanz. Drei der Schwerverletzten starben später im Städtischen Krankenhaus.
Berichterstatter musste fliehen
Einen Tag nach dem Überfall, der ganz Eisleben in Aufregung versetzt hatte, ging es um die Schuldzuweisung. Für die Nazi-Presse war völlig klar, dass die Kommunisten die Verbrecher waren und sprach von „Rot-Mord“ und verabscheuungswürdiger „hinterlistiger Mordgier der Kommunisten“.
Die KPD-Zeitung „Klassenkampf“, deren Redaktionsräume am Breiten Weg ebenso wie die Turnhalle völlig verwüstet waren, titelte: „Faschisten morden!“
Die SPD-Zeitung „Vorwärts“ widmete den Eisleber Ereignissen den Leitartikel „Die Wahrheit über Eisleben“, in dem Friedrich Stampfer (1874-1957) den Begriff „Blutsonntag“ prägte. „Was sich am letzten Sonntag in Eisleben ereignet hat, ist mehr als ein bloßes Lokalereignis“, wertete er den Überfall und fügte hinzu: „Was dort geschehen ist, kann jeden Tag wo anders in Deutschland auch passieren.“
Der Antikommunist Stampfer sollte mit seinen Warnungen vor den braunen Machthabern Recht behalten. Es war seine letzte Warnung. Tags darauf wurde der „Vorwärts“ unter Berufung auf die Berichterstattung aus Eisleben verboten.
Stampfer musste aus Deutschland fliehen, zunächst nach Prag, 1939 nach Paris und schließlich in die USA. Nach dem Krieg war er Dozent in Frankfurt am Main.