Geburtstag im Knast Geburtstag im Knast: Elsterglanz feiern Jubiläum mit Filmvorführung in JVA

Halle (Saale) - „Mach für Steven“, bittet der junge Mann mit dem Kantenschnitt. Dahinter drängelt Giovanni, der seinen Namen buchstabiert. „Und danke, Leute“, klatscht er die Männer am Autogrammtisch ab, „das war großes Kino!“
Schließlich habe Elsterglanz „ja auch einen Bildungsauftrag“
Kino im Knast, denn Sven Wittek und Gilbert Rödiger, besser bekannt als Svenni und Gilli vom Eisleber Comedy-Duo Elsterglanz, sind heute Abend mit ihrem neuen Film „Der Schlüssel für die Weibersauna“ in der JVA Frohe Zukunft in Halle zu Gast. Ein Termin, den Marko Saul eingerührt hat, der in der Hafteinrichtung arbeitet und in der „Weibersauna“ einen begriffsstutzigen Polizisten spielt. „Als Marko meinte, wir könnten doch mal in den Knast gehen, hielten wir das für eine gute Idee“, sagt Sven Wittek. Schließlich habe Elsterglanz „ja auch einen Bildungsauftrag“
Elsterglanz' weltberühmte Mini-Hörspiele
So läuft das im Elsterglanz-Universum, auch zehn Jahre nach dem Start des erfolg reichsten ostdeutschen Humorprojekts. Elsterglanz war damals zwar eigentlich schon sieben Jahre alt, existierte aber nur in Form von gebrannten CDs, die im Süden Sachsen-Anhalts von Hand zu Hand gingen. Darauf zu hören: irrwitzige Sketche in Mansfelder Mundart, in denen „Brummer“ und „Hässlonde“ wummern, flaken und trekken, derweil aus den Dialogen der Staub der Eisleber Straßen steigt.
Der Video-Hit „Der beste Koch der Welt“ von Elsterglanz
Gilbert Rödiger und Sven Wittek wussten lange nichts davon, dass sie mit ihren Mini-Hörspielen und verballhornten Welthits berühmt geworden waren. Die Fans tauschten Frühwerke wie „Der Staat gegen Godzilla“, ohne dass es deren Hersteller mitbekamen. Wittek arbeitet derweil in Hessen als Physiotherapeut, Rödiger als Klempner. Am Wochenende daheim malen sie dann mit Mikro und Kassettenrekorder diese kleinen, liebevollen Porträts der Menschen von Rottelsdorf, Eisleben und Pölsfeld, die etwa im Video „Der beste Koch der Welt“ Millionen Fans fanden.
Elsterglanz: „Wir wollen aber nicht, dass unsere Namen in der Zeitung stehen.“
Es gab nie die Absicht, groß rauszukommen. „Wir wollen aber nicht, dass unsere Namen in der Zeitung stehen“, hieß es noch nach dem ersten Interviewtermin mit der MZ an einem schummerigen Herbstabend im runtergerockten Proberaum der Metal-Band My Insanity, die das eigentliche Hobby der beiden gebürtigen Mansfelder war. Kurze Zeit später macht der hallesche Konzertveranstalter Matthias Winkler Rödiger und Wittek ausfindig und überredet sie zu einem Treffen mit ihm und seinem Booker Dirk Götze. „Wir waren beide totale Fans und haben die zwei erstmal eine halbe Stunde lang mit Zitaten aus ihren Hörspielen bombardiert“, erinnert er sich. Danach ist das Eis gebrochen. Und die Idee einer Tournee geboren.
Elsterglanz mit „Weibersauna" an der Spitze der Kino-Charts
Wittek und Rödiger nehmen Urlaub. Und gehen auf Tour. Die Premierenauftritte sind ausverkauft, „obwohl wir bis zum ersten Auftritt selbst nicht wussten, was wir auf der Bühne machen wollen“, wie Gilbert Rödiger schmunzelt. Die zweite, dritte und vierte Konzertreise sind jeweils länger. Und noch erfolgreicher. Elsterglanz ist vom Geheimtipp zum Kassenschlager geworden, der zwei, drei Dutzend Auftritte absolviert, ohne dass auch nur ein einziger Platz frei bleibt. Ein Phänomen, das mit dem ersten Film weiter an Fahrt gewinnt. Mit einer Spiegelreflexkamera gedreht und ohne Verleih im Rücken gestartet, mausert sich die obskure Komödie „Im Banne der Rouladenkönigin“ vor zwei Jahren zu Deutschlands erfolgreichster Independent-Produktion.
Und in diesem Sommer steht der mit einem Null-Euro-Etat gedrehte Nachfolger um die Weibersauna in Thüringen und Sachsen-Anhalt über Wochen an der Spitze der Kinohitparade. Vor millionenteuren Hollywood-Blockbustern wie „X-Men“ und „Jason Bourne“.
Wittek und Rödiger: „Wir erzählen nur, wie das Leben ist.“
Wittek und Rödiger freut es immer noch diebisch, dass das alles so klappt. Ohne Vertrag mit der Industrie. Ohne Profi-Produzent. Ohne Marketing-Agentur, Senderreise, Radiointerviews. Ohne Kompromisse. „Es ist der beste Job der Welt“, sagt Wittek, „aber du musst aufpassen, den Verlockungen nicht zu erliegen, die überall warten.“ Das schnelle Geld, der große Ruhm, das Bauchpinseln. Wittek und Rödiger verweigern sich mit Genuss. „Wir machen immer noch dieses Untergrund-Dings ohne Fernsehen, ohne die schnelle Mark“, sagt Wittek. Er ist inzwischen 45, Rödiger 41. Der große Ruhm kommt für beide gerade spät genug, dass nicht die Knie weich werden. „Der Sinn der Sache ist“, sagt Sven Wittek, „nur auf sich selbst zu hören.“
Manchmal wirken die beiden dicken Freunde dabei wie ein altes Ehepaar, das sich blind versteht. Sie werfen sich verbale Bälle zu, verständigen sich mit einem Blick und pflegen ihren knochentrockenen Elsterglanz-Humor, der ihnen aus der Innensicht gar nicht als solcher gilt. „Wir sind überhaupt nicht lustig“, sagt Gilbert Rödiger, „wir erzählen nur, wie das Leben ist.“
Das Mansfelder Land - eine unterschätzte Gegend
Kein Spaß, sondern irgendwo zwischen Peinlichkeit und vergeblicher Mühe, gerade in einer von Arbeitslosigkeit, Wegzug und einem schlechten Ruf geplagten Gegend wie dem Mansfelder Land. „Eine zu Unrecht unterschätzte Gegend“, nennt Rödiger die Ecke zwischen Arnstedt und Farnstädt, in der er gemeinsam mit Sven Wittek unter einem Himmel voller Schlackestaub aufgewachsen ist. Und irgendwann bemerkte: „Bei uns gibt es Typen, die gibt es sonst nirgendwo.“
Außer natürlich in den bizarren Heimatkomödien aus dem Heimstudio, die zwischen brutalem Schenkelklatscher und leiser Schwermut hin und herschwingen. „Einer kann darüber lachen, der andere nicht“, glaubt Rödiger, der selbst immer noch staunt, wie der eigene und nach eigener Auffassung „sehr spezielle Humor“ massenhafte Begeisterung auslöst. Selbst im Gefängnis, unter einem Publikum, das im Grunde nichts zu lachen hat.
Jeder Elsterglanz-Fan soll eine Karte bekommen
Die Leinwand hängt in einer Sporthalle, das Publikum sitzt auf Turnbänken, der Ton zerrt ein wenig. Egal. Jubelnd feiern die meist jungen Häftlinge die Jagd zweier Zukurzgekommener nach dem Schlüssel zur Sauna, die eigentlich eine Jagd ist nach Frauen, Bier und all dem Rest, der zum Glück immer fehlt, wenn man nicht auf der Sonnenseite geboren ist. Applaus und Gelächter von Knackis über Schließer bis zu Anstaltsleiter Hans-Jürgen Stach. „Ich glaube, der Erfolg kommt daher, dass dieser Humor etwas mit Heimat zu tun hat“, vermutet der Chef der JVA, „die Leute erkennen sich und ihre Umgebung wieder.“
Sven Wittek und Gilbert Rödiger haben darüber nie nachgedacht. Nicht früher, und jetzt erst recht nicht. Es ist zu viel zu tun, ehe in zwei Wochen die bisher größte Elsterglanz-Tour beginnt. „Bis heute um drei haben wir geprobt“, sagt Gilbert Rödiger. „Und was rauskommt, wissen wir immer noch nicht“, ergänzt Sven Wittek. Klar ist nur: Es wird nicht bei den 72 Auftritten bleiben, die bisher geplant sind. „Wir haben bemerkt, dass Leute haufenweise Karten gekauft haben, um sie für 100 Euro im Internet zu verscheuern“, sagt Rödiger. Andere bedauern das, schimpfen und arrangieren sich dann damit. Elsterglanz machen auch hier alles anders. „Wir haben gesagt, dass wir einfach so viele Konzerte spielen, bis der letzte Fan die Möglichkeit hat, zum normalen Kartenpreis zugucken zu können“, sagt Sven Wittek.
(mz)