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Erdeborner Bahnbrücke Erdeborner Bahnbrücke: Vor dem Neubau ziehen die Zauneidechsen um

Von Daniela Kainz 28.04.2017, 06:00
Noch fahren Züge über die Erdeborner Eisenbahnbrücke. Voraussichtlich im Jahr 2019 soll sie durch eine neue ersetzt werden.
Noch fahren Züge über die Erdeborner Eisenbahnbrücke. Voraussichtlich im Jahr 2019 soll sie durch eine neue ersetzt werden. Jürgen Lukaschek

Erdeborn - Der Regionalzug düst über die schmale Brücke in Erdeborn. Einige Meter vom Bahndamm entfernt macht Biologe Thomas Wagner eine erfreuliche Entdeckung. Auf einem Stein sitzt eine Zauneidechse und sonnt sich. Die Arbeit der zurückliegenden Wochen hat sich gelohnt. „Schön. Die Tiere nehmen ihren neuen Lebensraum an.“

Zauneidechsen müssen wegen Neubau der Erdeborner Eisenbahnbrücke umziehen

Wagner und sein Kollege Julian Kolleck vom PTB-Ingenieurbüro für Planung Technologie und Bauüberwachung Magdeburg bereiteten den Umzug der Zauneidechsen gründlich vor. Sie legten mit ihren Mitstreitern zehn unterschiedlich große Hügel aus Steinen, Schotter, Sand und Ästen an. Die Materialen wählten die Biologen mit Bedacht aus: Sie sind der natürlichen Lebensweise der Tiere geschuldet, die beispielsweise ihre Eier im Sand ablegen, wie Landschaftsarchitektin Uta Ebendorff vom Planungsbüro Helk Ilmplan aus Mellingen (Thüringen) erklärt.

Die Zauneidechse im deutschsprachigen Raum erreicht eine Gesamtlänge von etwa 24 Zentimetern. Beide Geschlechter der Zauneidechse weisen helle Rückenstreifen, Augenflecken an den Flanken und eine braune Grundfarbe auf. Das Männchen zeigt besonders während der Fortpflanzungszeit leuchtend grüne Flanken und eine grüne Kehle. Die Zauneidechse ist ein Tagtier und wird besonders in den späten Vormittagsstunden aktiv, so dass zu dieser Zeit die meisten Tiere einer Population beobachtet werden können. Sie sonnen sich mit Vorliebe auf Kahlstellen und in den Lücken der Grasschicht, wo sofortiges Untertauchen möglich ist.

Ist die Vegetationsdecke zu hoch oder fehlen Lücken, dann werden von den Zauneidechsen darüber hinausragende Strukturen benutzt, etwa Schutt-, Kies- und Holzhaufen, Baumstrünke, liegende Stämme, größere Steine und Sperrgut. An heißen Tagen verbringen die Echsen die meiste Zeit im Halbschatten. Man muss schon etwas genauer hinsehen, um sie in einem Strauch oder zwischen Grashalmen zu entdecken. Die Nahrung der Zauneidechse besteht zum größten Teil aus Insekten, besonders Schmetterlingen und Käfern. (Quelle: Waldwissen)

Der Umzug der Zauneidechsen hat einen triftigen Grund. Die Deutsche Bahn plant den Neubau der Eisenbahnbrücke über die Hornburger Straße auf der Eisenbahnstrecke Halle-Nordhausen. In diesem Zusammenhang soll der bestehende alte Bahnübergang aus Sicherheitsgründen geschlossen und die bislang dort durchführende Landesstraße südlich der Bahnanlage verlegt werden. Für Fußgänger, die in Zukunft am Haltepunkt Erdeborn in den Zug einsteigen wollen, wird ein separater Personentunnel errichtet. „Rund vier Millionen Euro investieren Deutsche Bahn und Bund in das Vorhaben“, sagt Projektleiter Andreas Seidel von der DB Netz AG.

Alle diese Arbeiten müssen gut vorbereitet sein. In der ersten von drei Bauphasen beschäftigen sich Experten gegenwärtig mit dem Artenschutz auf der künftigen Baufläche. So geht es in diesen Wochen nicht nur um die Zauneidechsen.

Die Fachleute untersuchen auch, ob Feldhamster auf dem Areal zu Hause sind. „Bisher konnten wir keine Tiere finden beziehungsweise deren Höhleneingänge in der Erde“, weiß Michael Raschdorf von der umweltfachlichen Bahnüberwachung.

Kurz bevor die alte Bahnbrücke voraussichtlich im April 2019 abgerissen wird, nehmen die Fachleute das Bauwerk ganz genau unter die Lupe. Speziell die Fugen im Gemäuer. Sollten zu jenem Zeitpunkt dort Fledermäuse leben, müssen die Tiere erst noch umgesiedelt werden.

Biologen behelfen sich mit Trick für den Umzug der Zauneidechsen

Wie im Fall der Zauneidechsen. Mit einem Trick gelang es den Biologen, die Tiere zum Umzug zu bewegen. In Abständen von zwei Wochen wurde immer ein Rasenstreifen auf dem bisherigen Lebensraum der Tiere am Rande des Bahndamms gemäht, so dass sich die Reptilien Abschnitt für Abschnitt in das verbleibende hohe Gras zurückziehen konnten. Und zwar so lange, bis sie auf diese Weise die zehn angelegten Hügel auf der anderen Seite des Bahndamms erreicht und als ihre neue Heimat angenommen hatten.

Was für die Biologen sinnvoll erscheint, kommt Uneingeweihten dagegen sehr seltsam vor. „Viele verstehen nicht, was die Haufen aus Holz und Stein zu bedeuten haben“, sagt Tatjana Nehrlich, Projektingenieurin von der DB Netz AG. Zur Erklärung wurde jetzt am Straßenrand eine kleine Informationstafel aufgestellt, mit der auf die neuen Lebensräume der streng geschützten Zauneidechsen hingewiesen wird. Mit den schriftlichen Informationen soll auch verhindert werden, dass die angelegten Reptilienhügel als wilde Müllplätze missbraucht werden.

Die Biologen werden die Entwicklung weiter beobachten. Auch dann noch, wenn in den kommenden Wochen in der zweiten Bauphase Archäologen das Gelände untersuchen und Versorgungsleitungen an der Brücke umverlegt werden. (mz)