Eisleben Eisleben: Richter hängt Robe an den Nagel
EISLEBEN/HETTSTEDT/MZ. - Seinen letzten Verhandlungstag hat Eberhard Grasse bereits hinter sich. "Danach habe ich meine Robe in den Schrank gehängt und gedacht: Das war's nun also", sagt der Direktor des Eisleber Amtsgerichts. "In dem Moment habe ich schon Wehmut empfunden." Aber, so Grasse, "alles hat seine Zeit, jetzt fängt etwas Neues an. Und darauf freue ich mich auch." Nach fast 35 Berufsjahren als Richter und 15 Jahren als Gerichtsdirektor in Eisleben tritt Grasse nun in den Ruhestand - am 7. Juli wird er seinen letzten Arbeitstag haben. Wer sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest.
"Es war eine lange Zeit, und es war eine gute Zeit. Ich hatte ein erfülltes Berufsleben", sagt der 64-Jährige. Als Richter sei er auf vielen Gebieten tätig gewesen: Zivil-, Straf-, Familien-, Konkurs- und Nachlassrecht. Am meisten habe ihm aber die Arbeit als Jugendrichter gelegen - was er sich kurioserweise bereits in der Abiturzeit als Berufswunsch überlegt hatte. Generell komme es darauf an, so Grasse, "immer wieder mal andere Aufgaben zu übernehmen und mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Das ist interessant und reizvoll, das sage ich vor allem den jungen Leuten immer."
Grasse stammt aus Flensburg. Weil sein Vater als Postbeamter regelmäßig versetzt wurde, "sind wir in meiner Kindheit und Jugend insgesamt 13 Mal umgezogen, immer zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg gependelt". Nach dem Abitur studierte er in Göttingen Jura, absolvierte sein Referendariat in Bremen und fing 1977 als Richter auf Probe am Landgericht Stade (Niedersachsen) an. In der Probezeit arbeitete er in verschiedenen Kammern am Landgericht sowie an Amtsgerichten im Gerichtsbezirk - "sozusagen als Feuerwehr, wenn irgendwo Not am Mann war". In dieser Zeit habe er sehr viel gelernt, so Grasse. Nach drei Jahren Probezeit wurde er zum Richter auf Lebenszeit ernannt und am Amtsgericht Stade eingesetzt. Als 1990 / 91 in Niedersachsen Richter für das Partnerland Sachsen-Anhalt gesucht wurden, meldete sich Grasse. "Es hat mich gereizt, am Neuaufbau hier mitzuwirken." Ein ehemaliger Kollege aus Stade, Tilman Schwarz (heute Präsident des Landgerichts), war damals bereits als Vizepräsident des Bezirksgerichts Halle tätig - und er setzte sich dafür ein, dass auch Grasse schnell und unbürokratisch von Niedersachsen nach Halle abgeordnet wurde. Als Richter am Bezirksgericht, später Landgericht, war Grasse für Rehabilitierungs- sowie für Straf- und Jugendverfahren zuständig. Der Rehabilitierungssenat hatte über Anträge von Menschen zu entscheiden, die in der DDR aus politischen Gründen verfolgt worden waren.
Nach 13 Monaten, damals der übliche Zeitraum für eine befristete Abordnung, kehrte Grasse nicht nach Niedersachsen zurück, sondern ließ sich nach Sachsen-Anhalt versetzen. Am 1. Juli 1996 trat er dann die Nachfolge von Klaus Huisinga an, der ebenfalls aus Stade gekommen war und vier Jahre Aufbauarbeit als Amtsgerichtsdirektor in Eisleben geleistet hatte.
"Ich habe es bei jeder neuen Aufgabe immer so gehalten, dass ich erst einmal beobachtet und zugehört habe", erzählt Grasse. "Das hat mir sehr geholfen." Auf die Verwaltungsarbeit - die bis zu drei Viertel seines Pensums ausmacht - konnte er sich kaum vorbereiten. "Das war Learning by Doing" - was in der ersten Zeit "mindestens Zehn-Stunden-Tage" bedeutete. Dazu kamen später die umfangreichen Baumaßnahmen im Haus sowie die Vorbereitung der Fusion mit dem Amtsgericht Hettstedt, die zum 1. Januar 2009 in Kraft trat. "Das war die größte Herausforderung in meiner Amtszeit", sagt Grasse. "Aber die viele Arbeit hat sich gelohnt, die Zusammenführung ist gelungen."